Alles begann mit einer einfachen «Missionsstation»

16.10.2016 | TPoscht online
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Nur das stolze alte Pfarrhaus unweit der Linde, das heute als Wohnhaus genutzt wird, erinnert heute noch an den Standort der früheren Kirche. 1976 wurde das katholische Kirchenzentrum im Stofel bezogen. Foto: EG

Dieses Jahr feiern die Katholiken von Teufen ein kleines Jubiläum: 1896 erhielten sie nach vielen Jahren, in denen sie den Gottesdienst im Kloster Wonnenstein besuchten, eine eigene Pfarrkirche. Nur die älteren Teufner erinnern sich noch an das Bauwerk: Die Kirche oberhalb der Linde musste 1972 dem Bau der Umfahrungsstrasse Platz machen. Wie es im reformierten Teufen zur Gründung einer katholischen Pfarrei mit eigener Kirche kam, beschreibt Rosmarie Nüesch.

Rosmarie Nüesch*

Seit der Reformation war der Friede im Lande Appenzell gestört, und so kam es an der Landsgemeinde in Teufen am 7. September 1597 zum Bruch. Der Kanton wurde in Ausserrhoden und Innerrhoden geteilt, und es soll sich 1599 kein Katholik mehr in Ausserrhoden befunden haben. Nur die beiden Klöster, Wonnenstein und Grimmenstein, blieben weiter bestehen. Auch 200 Jahre später verweigerte die Landsgemeinde immer wieder die Niederlassung für Katholiken. 1845 schreibt das «Monatsblatt», Ausserrhoden sei das «reformierteste Ländchen des Erdbodens».

Auch als 1848 in der neuen Bundesverfassung die «Glaubens- und Gewissensfreiheit» festgeschrieben wird, braucht es noch 10 Jahre, bis Ausserrhoden den Katholiken die Ausübung ihrer Gottesdienste erlaubt. In Herisau wird 1867 erstmals in einem Betsaal katholischer Gottesdienst gehalten, 1879 steht dort die erste Kirche.

In Appenzell dürfen sich seit 1875 die reformierten Einwohner von Innerrhoden zur Predigt treffen.

Teufen wird missioniert

Seit 1858 haben sich in Teufen einige katholische Familien niedergelassen. Es wird bestimmt, dass Teufen und Stein zu Haslen gehören sollen, aber die Teufner Katholiken besuchen meistens den Gottesdienst im Kloster Wonnenstein, das einen eigenen Priester hat.

1860 zieht das Ehepaar Remigius und Maria Seif-Loepfe nach Teufen. Remigius stammt aus Bayern. Die Familie, die im Wettersbühl/Lortanne wohnt, wird während vieler Jahre Stütze und Halt für die katholische Missionierung in Teufen. Nachfahren der Familie leben heute noch in Teufen.

Der Einfluss der Familie Seif

Thaddäus Seif ist ebenfalls ein treuer Katholik, wohnt ab 1861 bei seinem Bruder in Teufen und arbeitet während 25 Jahren als Gemeindeförster in Teufen, bis er altershalber 1888 nach Innerrhoden zieht. Remigius ist Baumeister, er stirbt 1886. Seine Witwe Maria Seif zieht nun mit den zehn überlebenden von 13 Kindern in ihr Haus in der Scheidegg beim ehemaligen Sternen. Sie nehmen die ersten Missionspfarrer bei sich auf und bieten Platz für den Religionsunterricht. Die Töchter gründen und präsidieren den Jungfrauen- und den Gesangsverein der Katholiken, und Sohn Hermann wird später Präsident der katholischen Commission.

Der Chronist schreibt allerdings, dass in den 60er-Jahren viele Katholiken lau und gleichgültig werden, protestantische Ehen eingehen und vom Glauben abfallen. Glücklicherweise hat das Kloster Wonnenstein immer wieder tüchtige, fromme Beichtväter, die auch Aufgaben eines Dorfpfarrers übernehmen.

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Im Kloster Wonnenstein feierten die Teufner Katholiken ihre Gottesdienste. Postkarte 1925. Bilder: Sammlung Werner Holderegger

Die Klosterkirche als Pfarrkirche

Am 5. Mai 1891 bestimmt Bischof Egger in St. Gallen Eduard Helg als ersten Missionspfarrer. Seine Wohnung bezieht er bei der Familie Seif in der Scheidegg, beim ehemaligen Sternen, wo auch seine Nachfolger wohnen, bis das Pfarrhaus gebaut ist. In einer bescheidenen Feier in der Klosterkirche, die nun als provisorische Pfarrkirche dient, wird Ed. Helg eingesetzt. Am 20. Mai findet die Conferenz statt, an der alles für die Missionsstation Teufen-Gais geregelt wird. Die Aufgaben werden an den Missionspriester und den Pater Beichtiger von Wonnenstein verteilt.

Nicht alles ist leicht zu lösen. Soll der Pfarrer in Wonnenstein die Frühmesse halten, kurz darauf in Gais predigen und zur nachmittäglichen Christenlehre wieder in Teufen sein, muss ein «Gefährt» bereitstehen. Da die Schulkommission Teufen nicht bereit ist, ein Schulzimmer für den Religionsunterricht zu stellen, wird dieser in der geheizten Stube der Familie Seif abgehalten.

Auf den kranken Eduard Helg folgt der junge Josef Theodul Helg. Dass der Bauplatz für eine Kirche bereits gekauft ist, ermuntert ihn. Er ist auch beauftragt, Geld für den Kirchenbau zu sammeln, der viel kosten wird. Schon der Bauplatz hatte 8081.50 Franken gekostet. So wandern bald einige tausend Franken nach Appenzell, wo sie zinstragend angelegt sind.

1894 wählt der Bischof Konrad Alois Götte zum nächsten Missionspfarrer, er hat eben die Priesterweihe erhalten. Er fühlt sich überfordert, will nicht lange bleiben, aber es kommt anders, Götte bleibt und schreibt auch die Geschichte der kath. Kirche Teufen, die dieser Arbeit zugrunde liegt.

In seine Zeit fällt die Gründung des Jungfrauenvereins, deren Mitglieder ihn oft unterstützen. Aber es gibt auch Enttäuschungen, so schreibt Götte: «Mehr als eine Jungfrau, die ein fleissiges Mitglied geschienen, schloss, durch irdische Vorteile und gefehlte Erziehung geblendet, eine unglückliche reformierte Ehe.»

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Kirche und Pfarrhaus. Postkarte anno 1904.

Die eigene Kirche

Endlich. 1895 ist es soweit, es wird mit dem Kirchenbau begonnen. Nach Schwierigkeiten mit den Fundamenten wird am 23. Juni in einer grossen Feier der Grundstein gelegt. Der Platz mit Triumphbogen und provisorischer Kanzel ist mit Kränzen, Blumen und Girlanden durch den Jungfrauenverein geschmückt. Festlich gestimmt, bei strahlendem Wetter, wird gesungen, gebetet, geredet und eine Urkunde im Eckstein versenkt. Feierlich wird um den Segen Gottes gefleht. Zum Abschluss wird in der Linde gevespert, alles ohne Störung der Protestanten. Selbst die liberale Appenzeller-Zeitung bringt eine freundliche Notiz.

Unter der Aegide von Architekt August Hardegger (1858–1927) wachsen Kirche und Turm. Zur Freude der guten Katholiken entstehen die spitzbogigen Fenster und die schöne Rondelle über dem Portal der neugotischen Kirche. Auch die Protestanten stören den Frieden nicht, nur ein paar böse Buben bewerfen eine Seite der Kirche mit Dreck, und alles ist entrüstet.

Im Frühjahr 1896 gehen die Arbeiten weiter, auch das Pfarrhaus wird in Angriff genommen, in einem eigenartigen Stil, wie Pfarrer Götte schreibt. Die hellen Zimmer und der Saal für den Religionsunterricht aber gefallen ihm. Die Kirchweih wird auf den 6. September festgelegt. Bis dann treffen verschiedene Geschenke ein, eine Marienstatue, Stationsbilder und eine gotische Kommunionsbank, ein Altar und die Kanzel werden gestiftet, und der Jungfrauenverein schenkt das «Ewige Licht», die Lampe kostet Fr. 125.

Dann wird ein Harmonium gekauft, und am 24. August 1896 läutet zum ersten Male die neue Glocke, von Glockengiesser Egger in Staad für Fr. 1’000.– geliefert.

Der ersehnte Tag, der 6. September, rückt näher. Schon lange haben die Jungfrauen Kränze und Girlanden geflochten, Gesänge und eine zweistimmige Messe eingeübt. Acht Tage vorher versammeln sich die Teufner zum Abschied in der Klosterkirche von Wonnenstein und bedanken sich für die jahrelange Gastfreundschaft bei den Ordensfrauen; diese versprechen, weiterhin für das Gedeihen der Gemeinde zu beten.

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Kath. Kirche Teufen, 1920.

1896: Die Kirche «Johannes der Täufer» wird eingeweiht

Trotz dem Himmel voller Wolken strahlen die Augen der Volksmenge vor Freude und Begeisterung, schreibt Pfarrer Götte. Der hochwürdige Bischof Augustin Egger ist schon am Samstag aus St. Gallen nach Wonnenstein gekommen. Auch Kanzler Dr. Keel und zahlreiche auswärtige Geistliche sind eingetroffen. Die Kirche ist überfüllt. Um 11 Uhr wird in der neuen Kirche das feierliche Amt zelebriert, der Jungfrauenverein singt das erste Amt

Anschliessend hält der Bischof eine herrliche Ansprache, er gibt den Gläubigen Anleitung für ein frommes, katholisches Leben. Damit erlangen sie Gnade und Segen für ihre Unternehmungen, Belehrung und Erhebung über die Armseligkeiten des Lebens. In der Linde wird das Mittagessen eingenommen. Es werden Tischreden gehalten, von Missionspfarrer Alois Götte, von Bischof Egger, vom protestantischen Pfarrer Diem aus Teufen und Gemeindehauptmann Knöpfel.

Zum Schluss ehrt Kanzler Keel den Architekten und die Bauleute, die gute Arbeit geleistet haben.

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Altäre der kath. Kirche Teufen, undatiert.

Der Alltag

Pfarrer Götte ist zufrieden mit seinen Gläubigen, sie kommen fleissig zum Gottesdienst. Besonders angetan ist er vom Kirchenchor, der nun auch schwierige Messen einübt. Im November kann das Pfarrhaus bezogen werden und bald wird hier auch Unterricht gehalten. Im Oktober nimmt der Jungfrauenverein Abschied vom Hause der Familie Seif, die für ihre lange Gastfreundschaft den herzlichsten Dank empfängt.

Im Januar 1897 wird endlich ein Männer- und Jünglingsverein gegründet, und 1898 ruft der Pfarrer einen Frauen- und Mütterverein ins Leben. Pfarrer Götte, der engagierte, besorgte Seelsorger der katholischen Kirchgemeinde Teufen-Gais, zählt 1898 zum Abschluss seines Berichts 700 Katholiken, 110 Kinder besuchen den Unterricht. Und er schreibt: «Teufen wurde mein liebes Schmerzenskind».

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Die alten Glocken werden vor dem Abbruch ausgebaut, mit dem evangelischen Kirchengeläute abgestimmt und im neuen Kirchturm wieder eingesetzt.

Die Familie Seif

Aus Probstriet bei Kempten im Königreich Bayern.

Thaddäus Seif (1816 –1890), das älteste von sieben Kindern, lernt Zimmermann. Weil er keine Arbeit findet, reist er 1839 in die Schweiz. Bei Baumeister Breitenmoser kann er am Bau der Holzbrücke über die Urnäsch zwischen Waldstatt und Hundwil arbeiten. Über den Winter kehrt er heim und nimmt 1840 seinen Bruder Remigius mit. Sie finden Beschäftigung bei Baumeister Mettler in Urnäsch. Thaddäus gründet verschiedene wohltätige Organisationen, wie eine Krankenkasse in Urnäsch, einen Sparkassaverein und einen Armenverein in Gonten. Finanziert wird alles durch den reichen Bankier und Wohltäter Ulrich Zellweger aus Trogen.

1859 kauft Thaddäus das Innerrhoder Landrecht. 1861 zieht er zu seinem Bruder nach Teufen. Nach einem Forstkurs wird er Gemeindeförster von Teufen. Dieses Amt übt er bis 1888 aus zur besten Zufriedenheit des Gemeinderates. 1866 heiratet er Barbara Antonia Fuchs aus Appenzell, nach ihrem Tod 1884 vermählt er sich mit Maria Heitinger von Pächtersweiler bei Lindau. In Teufen gründet er einen Krankenunterstützungsverein, der von Landammann Roth und Ulrich Zellweger dotiert wird. Auch weitere Vereine und Hilfswerke, vor allem in Innerrhoden, gründet und unterstützt er mit Ulrich Zellwegers Hilfe.

Bei seinem Rückzug nach Appenzell hinterlässt er einen ausführlichen Forstbericht. Er bekommt Zeugnisse für seine treuen Dienste, u. a. von Arnold Roth, schweiz. Gesandter in Berlin, für die Pflege seines Parkes während 19 Jahren.

Remigius Seif (1821 –1886), wird in Wilen TG eingebürgert, heiratet 1857 in Bruggen und zieht 1860 mit seiner Frau Maria Löpfe nach Teufen. Von den 13 Kindern werden 10 erwachsen. Im Familienbuch der Niedergelassenen wird Remigius als Baumeister angeführt, ist aber eher Zimmermann. Er stirbt nach langem Magenleiden.

Seine Bauten und Projekte (nicht vollständig):

1851 Projekt für Kirchenneubau in Gonten

1858 Bau des Schulhauses in Gonten

1861 Bau Schulhaus Bleiche in Teufen

1862 Bau Gitterträgerbrücke über den Rotbach in Teufen

Projekt Armenhaus in Trogen

Dorfbeleuchtung mit Petrollampen in Teufen; Remigius liefert die 7 Lärchenholzsäulen dazu.

1864 Pläne für Schulhaus Blatten in Teufen

Bürgerheim Teufen, Wiederaufbau nach Brand

1868 evang. Kirche Teufen, Aussenrestaurierung

1876 Bau «Hotel des Alpes», heute alter Bahnhof

 

*Rosmarie Nüesch (1928), Architektin, erste Frau im Ausserrhoder Kantonsrat und eine der Redaktorinnen der ersten Stunde der Tüüfner Poscht, war lange Jahre Frau Obmann des Ausser-rhoder Heimatschutzes und schrieb zahlreiche Artikel über markante Häuser im Ortsbild von Teufen. «Madame Grubenmann» erhielt 2009 als erste Preisträgerin den Tüüfner Bär und wurde 2013 für ihr Lebenswerk mit dem Ausserrhoder Kulturpreis ausgezeichnet.

Quellen: Kurze Lebensbeschreibung von Thaddäus Seif, von Dr. Sontheimer. Geschichte der kath. Pfarrei und Missionsstation Teufen, von H.H.K.A. Götte, 1898.

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