Die Blüten appenzellischen Literaturschaffens auf 600 Seiten

30.10.2016 | TPoscht online
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Matthias Jäger, Foto: Erich Gmünder

Zur Vernissage des Buches «Ich wäre überall und nirgends» erlebte das Zeughaus am 28. Oktober einen Grossaufmarsch.

Die Publikation des 600 Seiten schweren Buches ist das Resultat einer über 4-jährigen Projektarbeit. Die Landammänner der beiden Appenzell, die Präsidentin der Ausserrhoder Kulturstiftung und die Herausgeber Peter Surber und Rainer Stöckli stellten das Projekt prominent, kompetent und unterhaltsam vor. Philipp Langenegger und Anna Blumer lasen ausgewählte Texte, Peter Weber und Michel Mettler maultrommelten. Der Chor Wald beschloss den Anlass.

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Peter Weber (links) und Michel Mettler eröffneten den Reigen musikalisch mit seiner Maultrommel.
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Der Schauspieler Philipp Langenegger und die Schauspielerin Anna Blumer hauchten den Texten Leben ein.

Im geografischen Lexikon sei zu lesen, der Säntis habe ein Klima, das einer Meereshöhe von 3000m und mehr entspreche. Über den physisch gemessenen 2501m müsse es also noch einen weiteren, einen fiktiven Raum geben. Die Antenne stosse zwar in diesen Raum vor, aber gefüllt werde er von Dohlen und vielleicht Texten. So eröffnete Peter Weber die Vernissage zum Buch mit Texten aus diesem Raum rund um den Säntis.

Anspruchsvolle Blütenlese

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Eine Anthologie mit Literatur mit einem Bezug zum geografischen Raum Appenzellerland sei eine unsägliche, eigentlich eine unmögliche Aufgabe, führte Landammann Matthias Weishaupt in seiner Laudatio aus. Es gehe darum, aus einem riesigen Meer von Blüten einzelne auszulesen und sie zu einem Strauss zu binden. Seine Fragen als erster Leser, warum von diesem Autor denn genau dieser Text, warum vom nächsten Autor gleich zwei Texte, und warum denn jener Autor ganz fehle, werden auch die Fragen aller weiteren Leser sein. Auswahl und Kürzen ist bei einer Anthologie ein Muss. Und auch für die Art und Weise, wie der Strauss gebunden wird, gibt es viele Möglichkeiten. Die Herausgeber wählten die Form der Gliederung in zehn thematische Kapitel.

Die Anthologie ist nicht nur ein gedrucktes Buch, sondern auch ein Projekt mit Präsenz im Internet (www.literaturland.ch). Das ermöglicht neben dem thematischen auch andere Zugänge. Dem Historiker Weishaupt ermögliche er einen chronologischen Zugang mit Blick auf die Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem, auf literarische Dürreperioden und Hochzeiten auch.

Der Anthologie-Schuppel

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In Anlehnung ans Silvesterklausen prägte Peter Surber für die Herausgeber den Begriff des Schuppels. Dieser Schuppel bewegte sich gemeinsam durch das mehrjährige Projekt, wählte aus, hielt inne, strukturierte, gliederte, kommentierte, verwarf. Das Bild des Schuppels ist auch im übertragenen Sinn zu verstehen: Die Anthologie zollt den gelebten Traditionen Respekt, aber sie reduziert das Appenzellerland nicht auf Käse, Viehschauen, Bläss und Silvesterkläuse.

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Wie Barbara Auer, Präsidentin der Ausserrhodischen Kulturstiftung, in ihrer Begrüssung ausführte, gebe es auch für all jene, die sich damit nicht identifizieren können, in der Anthologie viel zu entdecken. Für die Kulturstiftung war das Projekt ein Wagnis und sie bewies Mut. Während vier Jahren war sie mit den Herausgebern unterwegs. Sie bewilligte immer neue Kredite, ohne zu wissen, wann und wo die Reise wirklich enden würde.

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Rainer Stöckli, der «Vorrolli» im Herausgeberschuppel, spricht davon, wie «ihre» Anthologie, diejenige der Herausgeber, diejenige, an der sie vier Jahre lang arbeiteten, jetzt die «unsere», diejenige von uns Leserinnen und Lesern werden soll.

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Landammann Roland Inauen, rechts von ihm die Schreibmaschine von Peter Morger, dessen Zitat dem Buch den Titel gegeben hat.

Auch wenn die Anthologie auf eine Initiative der Ausserrhoder Kulturstiftung zurückgeht, ist sie keine ausserrhodische Angelegenheit. Namens der lesenden Innerrhoder Bevölkerung fragt sich der Landammann, Roland Inauen, wie er wohl von Peter Morger an dieser Vernissage angesagt und eingeführt worden wäre: Als Häuptling von was wohl? Er liest seinen im Buch vertretenen erfrischenden Text vom Heuen.

Der Teufner Peter Morger

Und schliesslich Peter Morger: Der Teufner Schriftsteller und Journalist (1955-2002) ist neben Robert Walser der wohl am prominentesten vertretene Autor. Sein Zitat gibt der Anthologie den Titel, und das Bild seiner alten Schreibmaschine ziert den Umschlag. An der Vernissage ist sie ausgestellt und ruht – sinnbildlich für den inneren Bezug zwischen den beiden Autoren – auf dem Buch «Der Räuber» von Robert Walser. Philipp Langenegger liest zwei von Morgers Texten. Seine 797. Annäherung an einen bekannten Unbekannten (Robert Walser eben) öffnet die Tür zum letzten Text, einem Ausschnitt aus «Der Räuber» von Robert Walser.

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Der Chor Wald unter Leitung von Jürg Surber rundete den Abend mit vertonten Gedichten von Ivo Ledergerber und mit dem wohlbekannten «Mi Ländli» von Julius Amman ab.

 

«Ich wäre überall und nirgends»


Appenzeller Anthologie – Literarische Texte seit 1900

Die Anthologie umfasst auf 600 Seiten Beiträge von 194 Autorinnen und Autoren. Sie ist in 10 Kapitel gegliedert mit so vielschichtigen Titeln wie «Daheim und daneben», «Ankommen, abhauen, fremdgehen», «Mystik und Miststock», oder «Würfe, Krämpfe, Rebellionen». Jedem Kapitel ist ein Zitat als Motto vorangestellt, und ein Mitglied des Herausgeberteams führt es ein. Themenspezifische Listen mit z.B. Tätigkeiten rund ums Weben, Innerrhoder Spitznamen, Fremdwörtern in den Appenzeller Mundarten, Qualitäten der Milch, oder die Entwicklung der Sender auf dem Säntis vervollständigen die Kapitelarchitektur. Das tönt nach Masse, und das Buch ist auch schwer. Aber darum geht es den Herausgebern nicht. Es geht um die Vielfalt, die Tonlage und die Feinheiten. Unter den Texten finden sich – nicht nur bei den traditionellen – eine ganze Reihe von Mundarttexten. Auch wenn Robert Walser die als Anbiederung an die Masse abgetan hätte, sind sie gemäss Matthias Weishaupt ein reiner Lesegenuss.

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Ich wäre überall und nirgends
Appenzeller Anthologie – Literarische Texte seit 1900
Im Auftrag der Ausserrhodischen Kulturstiftung herausgegeben von Rainer Stöckli und Peter Surber in Zusammenarbeit mit Eva Bachmann, Heidi Eisenhut, Doris Ueberschlag und Peter Weber

Appenzeller Verlag

1. Auflage 2016, 604 Seiten
ISBN 978-3-85882-733-3
CHF 48.00

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