Die Geschichte vom Denker und dem Praktiker

28.05.2016 | TPoscht online
aufgeweckte kunstgeschichten demenz zeughaus 26.5
Cristina de Biasio fragt nach, Ulla Ahmann notiert die Gedanken, und so entsteht eine gemeinsame Geschichte.
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Empfang der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Begleitpersonen durch Kurator Ueli Vogt – als interessierte Beobachterin dabei war auch Isabelle Chappuis, Museumskoordinatorin im Amt für Kultur AR (Mitte).

 

Matthias Jäger, Fotos: Erich Gmünder

„Aufgeweckte Kunstgeschichten“ ist Kunstbetrachtung für Menschen mit Demenz. In einem Zyklus von vier Nachmittagen entwickeln sie in einer Gruppe kreative Geschichten zu einem ausgewählten Kunstwerk. Veranstalter ist der Verein mosa!k mit Cristina De Biasio Marinello und Ulla Ahmann, Gastgeber das Zeughaus Teufen.

Hugo, das ist ein schöner Bub. Er hat so schöne blaue Augen und eine schöne Frisur. Er kommt frisch vom Coiffeur. Sein Hemd ist abgeschossen. Vielleicht hat seine Mutter es zu heiss gewaschen. Er muss es trotzdem noch tragen. Wahrscheinlich hat er nicht so viele. Hugo ist kurzsichtig und trägt eine Brille. Er schaut ernst, ist halt so ein Denker. Er ist der kleine Bruder von Ueli. Der hämmert etwas. Vielleicht baut er ein Vogelhäuschen. Vielleicht weckt er jemanden auf. Ueli ist ein Schaffer. So ein Praktischer.

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Das Porträt eines Knaben regte zu unterschiedlichsten Gedanken an, die am Schluss zu einer Geschichte zusammengefügt wurden.

Das ist der Anfang einer Geschichte, die eine Gruppe von acht Menschen mit Demenz am Donnerstag, 26. Mai, aus zwei Bildern, einem Knabenportrait von Hans Zeller und einer Videoinstallation von Katrin Keller, herauslasen.

Aufgeweckte Kunstgeschichten ist keine Kunstbetrachtung im klassischen Sinn. Da geht es nicht um die Kunst oder die Künstler. Es geht um Geschichten. Vielleicht schlummern diese im Bild und die Menschen wecken sie auf, vielleicht ist es aber auch umgekehrt, und die Bilder wecken die Geschichten auf, die in den Köpfen schlummern.

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Die Gedanken werden von Ulla Ahmann (links) notiert und am Schluss als Geschichte vorgetragen.

Wie dem auch sei. In erster Linie geht es darum, in entspannter und animierter Atmosphäre mit einem Bild und untereinander in Kontakt zu treten. Für einen Nachmittag hebt das die gesellschaftliche und kulturelle Isolation auf, die Demenz oft schleichend mit sich bringt. Weil Geschichten weder richtig noch falsch sind, erfahren Menschen mit Demenz in einem Ausmass Anerkennung und Wertschätzung für ihre Äusserungen, die sie im Alltag oft nicht mehr erleben.

Und wenn die Worte für einmal trotzdem fehlen, hat jeder und jede Teilnehmende eine freiwillige Helferin als persönliche Unterstützung zur Seite. Für Angehörige ist es eine Verschnaufpause, eine Gelegenheit, den Partner, die Partnerin, das Elternteil aus einer anderen Perspektive neu zu erleben, und mit anderen Betroffenen und Fachpersonen in Kontakt zu treten.

Der Anlass vom 26. Mai war der dritte Nachmittag im Zyklus. Mit der Auswahl von zwei Bildern, einem Knabenportrait und einer Videoinstallation mit einem hämmernden Knaben, nahmen sich die Initiantinnen viel vor. Die Aufgabe, sich auf zwei Bilder zu konzentrieren und eine Verbindung zwischen ihnen herzustellen, war anspruchsvoll.

Der letzte Nachmittag vom 2. Juni wird Neuland beschreiten, indem statt eines Kunstwerkes ein Brückenmodell von Grubenmann im Zentrum stehen wird.

GALERIE


Dieser erste Zyklus von Aufgeweckten Kunstgeschichten in der Ostschweiz ist vorderhand ein Pilotprojekt. Mit dem Verein mosa!k haben die beiden Initiantinnen aber eine Vision, die weit darüber hinaus reicht. Sie streben ein Tagesangebot für Demenzkranke mit einer Palette von unterschiedlichen Aktivitäten an. Insbesondere für jüngere, und körperlich noch fitte Betroffene fehle ein solches vollständig, meint Cristina De Biasio.

In einem nächsten Schritt geht es aber darum, das Pilotprojekt abzuschliessen und auszuwerten. Die Stimmung unter den Teilnehmenden bei Kaffee und Kuchen, sowie der Enthusiasmus der beiden Initiantinnen lassen aber vermuten, dass diese Geschichte eine Fortsetzung haben wird.

Wer das Projekt mosa!k ideell unterstützen möchte, hat die Möglichkeit, dies mit der Stimmabgabe beim Wettbewerb der St. Galler Kantonalbank zu tun: https://www.sgkb.ch/150jahre/mosaik

[grauer-kasten title=“Idee ursprünglich aus den USA“ text=“Die Idee der Aufgeweckten Kunstgeschichten stammt ursprünglich aus den USA. Das Zentrum für Gerontologie an der Universität Zürich adaptierte den Ansatz für die Schweiz und führte in den Jahren 2012-15 ein Forschungsprojekt durch. Museen in Aarau, Basel, Bern, Davos und Zürich organisieren Kunstbetrachtungen für Menschen mit Demenz.

Cristina De Biasio Marinello und Ulla Ahmann liessen sich von der Idee begeistern. Sie lancierten ein Pilotprojekt und brachten Aufgeweckte Kunstgeschichten in die Ostschweiz. Mit Ueli Vogt vom Zeughaus Teufen fanden sie einen interessierten Museumspartner. Die Kulturförderung Appenzell Ausserrhoden, die Gemeinde Teufen und die Raiffeisenbank Appenzell unterstützen das Projekt finanziell, Blattwerk und die Papeterie Markwalder mit Dienstleistungen“ ]

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