Die grosse Chropfleerete und drei Rücktritte

12.11.2015 | TPoscht online
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Kurz vor Beginn waren alle Sitze im Saal und auf der Empore besetzt, und viele Besucherinnen und Besucher mussten sich mit Stehplätzen begnügen. Fotos: Marlis Schaeppi und Erich Gmünder

Am Mittwoch fand im vollen Lindensaal Teufen die grosse „Chropfleerete“ zum Entschädigungsstreit statt.  Während die Behörden aus dem Vorgefallenen die Lehren ziehen wollen, fordern Bürger einen Schlussstrich unter das Vorgefallene. Mit Oliver Hofmann, Martin Ruff und Daniele Schiro erklärten gleich drei Gemeinderäte ihren Rücktritt auf Ende Mai 2016.

Markus Rohner*

Es ist in den letzten Wochen in den regionalen und nationalen Medien viel geschrieben und gesprochen worden über die Gemeindepolitik und das Entschädigungsreglement von Teufen. Nur die Bevölkerung hatte bislang keine Gelegenheit, an einer Orientierungsversammlung darüber zu debattieren. Am Mittwochabend wurde dies nachgeholt.

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Der vollzählige Gemeinderat Aug‘ in Auge mit den Bürgern.

Über 300 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich im Lindensaal, um mehr Details über die umstrittenen Entschädigungen an die Gemeinderäte zu erfahren.

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In seinen einführenden Worten entschuldigte sich Gemeindepräsident Walter Grob sowohl bei der Bevölkerung wie bei jenen Behördenmitgliedern, die in diesem Konflikt manche Unbill hätten erleiden müssen. Nachdem die detaillierten Zahlen bereits in der Tüüfner Poscht vom Oktober publik gemacht worden waren, ging der Gemeindepräsident noch einmal auf ein paar Fakten und Zahlen des umstrittenen Reglementes ein.

Grob erwähnte das Malus-System, das Gemeinderäte finanziell schlechterstellt, wenn sie an Gemeinderatssitzungen nicht teilnehmen können. In diesem Jahr habe kein einziger Gemeinderat mehr als eine Absenz aufzuweisen. Für seinen ausserordentlichen Arbeitsaufwand wird in Teufen ein Gemeinderat mit 30 Franken pro Stunde entschädigt. In diesem Zusammenhang sind von einzelnen Gemeinderäten finanzielle Rückerstattungen geleistet worden. Für das Jahr 2013 waren dies Fr. 7215, für 2014 Fr. 19896 und für 2015 Fr. 26972.

Ein grosser Zeitaufwand

Grob erwähnte auch den grossen Arbeitsaufwand, den ein Gemeinderat in Teufen zu leisten habe: Pro Jahr trifft man sich an 20 bis 30 Sitzungen, die im Durchschnitt 3 Stunden dauern. Dazu kommt die Zeit für die Vor- und Nachbearbeitung dieser Sitzungen. Hoch ist auch der Aufwand, den die acht nebenamtlich tätigen Gemeinderäte ausserhalb der Sitzungen leisten. Der Gemeindepräsident bilanzierte für das Jahr 2012 total 3500 Stunden, 2013 waren es 2900 Stunden, und 2014 noch 2300 Stunden. „Unsere Gemeinderäte stellen viel Zeit für ihr Amt zur Verfügung“, sagte Walter Grob. Dabei sei es gerade im Milizsystem nicht immer einfach, den richtigen Weg zwischen Beruf und politischem Mandat auf Gemeindeebene zu finden.

Der Gemeindepräsident bedauerte, dass das Entschädigungsreglement in den letzten Jahren nicht immer korrekt angewandt worden sei. Seit 2014 sei dies aber nicht mehr der Fall.

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Über 50’000 Franken zuviel bezogene Entschädigungen wurden zurückbezahlt. Erstmals wurden die detaillierten Zahlen präsentiert. Folie an der Orientierungsversammlung vom 11. November.

Als Folge der von der GPK aufgedeckten Unregelmässigkeiten wurden für die letzten drei Jahre über 50’000 Franken an zu viel ausbezahlten Entschädigungen in die Gemeindekasse zurückgeführt. In Zukunft werden Arbeitsrapporte neu vom Gemeindeschreiber visiert. Zudem soll ein neues, noch auszuarbeitendes Reglement, zu dem die Bevölkerung in einer Vernehmlassung bald wird Stellung beziehen können, Klarheit schaffen.

Präsident bleibt – drei Gemeinderäte gehen

Gemeindepräsident Walter Grob erklärte am Schluss seines Einführungsreferates, dass er sein Amt „nicht durch die Hintertüre“ verlassen werde und weiterhin im Amt bleiben wolle. Alle Gemeinderäte seien in diesem Frühjahr bis Ende Mai 2019 in ihr Amt gewählt worden.

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Daniele Schiro (links) und Oliver Hofmann gaben ihren Rücktritt bekannt.

Dennoch wollen drei Gemeinderäte auf Ende Mai 2016 ihr Amt niederlegen. Als erstes erklärte sich Oliver Hofmann. Jener Gemeinderat, der den Besuch einer Hochzeit und der Weihnachtsfeiern im Altersheim als Aufwand aufgeschrieben hat und dadurch in die Kritik geraten ist. „Ich habe diese Feiern in meiner Funktion als Gemeinderat besucht. Ohne dieses Amt hätte ich keine Veranlassung gehabt, dorthin zu gehen“, sagte Hofmann. In den letzten drei Jahren sei er pro Jahr im Durchschnitt mit rund 20’000 Franken entlöhnt worden. Dafür habe er viel Zeit investiert. „Zum Schutz meiner Person, meiner Familie und meines Umfeldes“ habe er sich entschlossen, Ende Mai aus dem Gemeinderat auszuscheiden.

Den gleichen Schritt kündigte Daniele Schiro an, der die Freude und Lust an diesem Amt nach dem in den letzten Monaten Vorgefallenen verloren hat. Zu Bereicherungen von seiner Seite sei es nie gekommen, aber es sei ein Fehler gewesen, pauschale Stunden aufgeschrieben zu haben. Das Vertrauen in seine Person sei in Teilen der Bevölkerung offensichtlich nicht mehr gegeben, weshalb er sich entschlossen habe, wie Kollege Hofmann auf Ende Mai sein Amt zur Verfügung zu stellen.

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Martin Ruff (2.v. links) wird den Gemeinderat nach acht Jahren verlassen.

Als dritter Gemeinderat trat Martin Ruff vor die Bürgerinnen und Bürger und zog eine Bilanz seiner acht Jahre im Gemeinderat. In der Exekutive habe er sich stark gemacht für eine nachhaltige Entwicklung der Gemeinde Teufen. Es seien gute Jahre gewesen, in denen er viel habe erreichen können. Von der Quellsanierung Ost über die regionale Schnitzelhalle bis zum Aufbau und Betrieb des alten Zeughauses. Er forderte die Bürgerschaft auf, sich gegenseitig mit mehr Toleranz und Respekt zu begegnen. Am Schluss seines Votums erklärte auch er auf Mai 2016 seinen Rücktritt aus dem Gemeinderat.

Die Chropfleerete kann beginnen

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Kathrin Hilber mit dem ersten Votanten Franz Broger.

Jetzt wurde das Mikrofon für das Publikum geöffnet. Unter Leitung von Kathrin Hilber, der ehemaligen St. Galler Regierungsrätin und heutigen Mediatorin und Politikberaterin, konnten die Bürgerinnen und Bürger Fragen stellen oder ganz einfach ihrem Unmut Luft verschaffen.

Als erstes meldete sich der Bücherexperte Franz Broger zu Wort. Er betonte die Wichtigkeit eines funktionierenden Kontrollsystems und wollte wissen, ob die externe Revisionsstelle in all den Jahren ihrer Aufgabe nachgekommen sei. Der Gemeindepräsident erklärte, die interne Kontrolle erfolge einerseits durch die Geschäftsprüfungskommission GPK, die die korrekte Umsetzung und die Rechtsanwendung zu kontrollieren habe, sowie die externe Revisionsstelle, die nach dem kantonalen Finanzhaushaltgesetz die entsprechenden Prüfungen vornehme.

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Dass die Mitglieder der GPK und des Gemeinderates an diesem Abend nicht gemeinsam auf dem Podium sitzen, erklärte der Gemeindepräsident auf eine Frage von SP-Präsidentin Bea Weiler damit, dass heute „in Vergangenheitsbewältigung“ gemacht werde. Mit dem Rückzug der Aufsichtsbeschwerde im März 2015 habe sich dies erübrigt. Grob verhehlte indes nicht, dass es im Verhältnis zwischen Gemeinderat und GPK noch ein paar Wolken gebe.

GPK-Präsident Christian Ehrbar sagte dazu: „Wir haben keinen Streit miteinander.“ Jetzt sei man daran, einen neuen Vorschlag für ein Entschädigungsreglement auszuarbeiten. Auf Details, die in der Aufsichtsbeschwerde enthalten sind, wollte und konnte der GPK-Präsident wegen des Amtsgeheimnisses nicht eingehen. Ehrbar betonte allerdings, dass die 50’000 Franken, die zuviel ausbezahlt worden seien, keine Peanuts seien. Gültige Reglemente gelte es einzuhalten. Um dann anzufügen: „Die GPK hat im März ihren Job erledigt. Das Timing danach hat der Gemeinderat gesetzt.“

Weniger als ein Promille

Damit war die Debatte lanciert: Roland Bieri versuchte die Diskussion um diese Entschädigungen etwas zu relativieren und rechnete vor, dass der ganze Streitwert, um den es hier geht, weniger als ein Promille der jährlichen Ausgaben von Teufen ausmache. „Machen wir aus einer Mücke doch keinen Elefanten. Eine Gemeindebehörde muss auf das Vertrauen ihrer Bürger setzen“, sagte Bieri. Und Fehler seien immer dazu da, daraus die Lehren zu ziehen. Der Applaus aus dem Publikum war ihm sicher.

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Heinz Lehmann lobte die GPK, die den Mut hatte, genau hinzuschauen und dafür sorgte, dass Steuergelder nicht vergeudet werden. „In Teufen haben wir noch viel Sparpotential“, sagte Lehmann. Er äusserte den Wunsch, dass die GPK in Zukunft genau hinschaut, wofür in Teufen öffentliche Gelder ausgegeben werden. Für die Behörden gelte es eine Entschädigungsreglement auszuarbeiten, das einfach zu handhaben und leicht kontrollierbar sei.

Die Rolle der Tposcht

Hans Koller kam auf die Rolle der Tposcht online im ganzen Entschädigungsfall zu sprechen. „Warum muss da zu jedem Text ein Kommentar abgegeben werden können“, stellte er die Frage an den Gemeindepräsidenten und die Verantwortlichen der Tüüfner Poscht. Für Grob ist der Fall klar: „Die Tüüfner Poscht ist nicht ‚His masters voice‘. Über den redaktionellen Inhalt entscheidet die Redaktion alleine.“ Will heissen: Dieses Blatt ist unabhängig und kein Sprachrohr des Gemeinderates. Pro Jahr bezahle die Gemeinde Fr. 140000 und erhalte dafür das Recht, amtliche Nachrichten im Blatt zu veröffentlichen, fügte der Gemeindepräsident an. Über den „Shitstorm“, der sich im Online-Forum in den letzten Wochen breit gemacht hat, war Walter Grob auch erstaunt und irritiert.

Es war an Erich Gmünder, dem Chefredaktor der Tüüfner Poscht, Klarheit zu schaffen. 2012 habe man den Online-Auftritt gestartet und damit viel Erfolg gehabt. Das zeige sich im grossen Leserecho und den vielen Klicks, die täglich gezählt würden. Im Online-Forum achte er streng darauf, dass keine ehrverletzenden oder kreditschädigende Kommentare aufgeschaltet würden. Alle Kommentare würden von ihm gegengelesen. „Wir erfüllen mit diesem Forum die Funktion des Dorfbrunnens, an dem sich Bürgerinnen und Bürger über aktuelle Ereignisse in der Gemeinde austauschen können“, sagte Gmünder. Das Forum komme denn auch gut an und werde von der Leserschaft geschätzt. Der Chefredaktor appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, nicht nur das Online-Forum zu nutzen, sondern vermehrt auch Leserbriefe für die Printausgabe zu schreiben.

Kritische Stimmen

Kritische Worte waren von FDP-Kantonsrat Patrick Kessler zu hören, der dem Gemeinderat vorwarf, erst jetzt, ein paar Monate nach den Wahlen, mit diesen Fakten zur Entschädigungsaffäre an die Öffentlichkeit gelangt zu sein. „Warum treten Sie nicht alle zurück und stellen sich erneut der Wahl“, fragte Kessler. Erst dann hätte der Gemeinderat nach dem Vorgefallenen die Legitimation durch das Volk. Stattdessen bleibe die Angst, dass dieses Thema die Gemeindebehörde in den nächsten drei Jahren immer wieder einholen könnte.

SVP-Kantonsrat Edgar Bischof äusserte seine Zweifel, ob die Gemeinde richtig organisiert sei. Wenn für den ausserordentlichen Aufwand 3500 Stunden gebraucht würden, stelle sich für ihn die Frage, ob die Chefbeamten genügend in die Arbeit der Gemeinde einbezogen würden. Bischof wollte zudem wissen, ob es zwischen Gemeinderat und GPK noch ungeklärte Themen gäbe.

Das Führungsverhalten eines jeden einzelnen Gemeinderates sei völlig unterschiedlich, sagte der Gemeindepräsident. Ebenso sei es in der strategisch-operativen Arbeit. Aber der Gemeinderat wolle sich durchaus weiter in die operative Arbeit einschalten.

ORIENTIERUNGSVERSAMMLUNG MS (34)Christian Meng stellte klar, dass er auch in Zukunft das Online-Forum der Tposcht nutzen werde und wollte vom Präsidenten Details über den Rhythmus der gemeinderätlichen Sitzungen wissen. Von den zweiwöchentlichen Sitzungen sei man abgekommen, sagte Grob, weil man flexibler auf das aktuelle Geschehen reagieren wolle. Bis gestern traf sich der Teufner Gemeinderat im Jahr 2015 zu 18 Sitzungen.

Widerlegen konnte Walter Grob auch die angeblich hohen Verwaltungskosten pro Kopf der Bevölkerung.

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Auf einen Einwand von Mathias Schreier sagte Walter Grob, dass Vergleiche mit anderen Gemeinden nur dann möglich seien, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen werde. Mit dem neuen Lohnregulativ und den 19 Lohnklassen habe der Gemeinderat ein gutes Instrument, kostensparend zu wirken. Für 2016 soll in Teufen die Gemeindestruktur eingehend überprüft und analysiert werden.

Gelebte Demokratie

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Als letzter Redner trat Hanspeter Nef ans Mikrofon. Er sei mit einem unguten Gefühl in den Lindensaal gekommen und gehe jetzt mit einem guten nach Hause. Die Diskussion sei auf sachlicher Ebene geführt worden und sei ein schöner Beweis gewesen für eine gelebte Demokratie. Der Applaus des Publikums war dem Votanten sicher.

*Markus Rohner ist freier Journalist und wohnte zwischen 1989 und 1993 in Teufen

 

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