1.08.2018

„Die Schweiz ist eben kein einig Volk von Brüdern

Der Teufner Hanspeter Spörri sprach an der Bundesfeier auf dem Zeughausplatz.

Bildbericht: Erich Gmünder

In traditionellem Rahmen feierte Teufen zum zweiten Mal den Nationalfeiertag am 31. Juli. Trotz der anhaltenden Hitze – zu Beginn herrschten noch rund 30 Grad – war die Festwirtschaft im Freien beim Zeughaus mit über 200 kleinen und grossen Besucherinnen und Besuchern gut besetzt. Festredner Hanspeter Spörri machte sich Gedanken zur Diskussion um die Lancierung einer neuen Landeshymne.

Laut Gallus Hengartner, Leiter Betriebe und Sicherheit, der die Feier organisiert hatte, war das Feuerwerkverbot kein Thema. Die Kinder vergnügten sich während der Reden auf dem Rasen oder malten mit Strassenkreide. Beim Einnachten zogen sie wie gewohnt mit Lampions, angeführt vom Cevi, um das Zeughaus. Statt Kerzen wurden die bunten Laternchen jedoch mit elektrischem Licht beleuchtet, was der Freude der Kleinen keinen Abbruch tat.

Doch der Reihe nach: Die ferienbedingt reduzierte Harmoniemusik stimmte die Landeshymne mit dem neuen Text „Weisses Kreuz im roten Feld“ an.

Katja Diethelm, Gemeinderätin und Präsidentin der für die Feier zuständigen Betriebskommission, formulierte ihre ganz persönlichen Wünsche für die Schweiz und für Teufen: Zuversicht, die anstehenden Herausforderungen anzunehmen, Mut, gemeinsam schwierige Themen aufzugreifen und die Einsicht, dass es manchmal Veränderungen brauche, um Bewährtes zu erhalten oder neu zu beginnen. „Müssen sich Dinge verändern, damit sie weiterhin bestehen bleiben, muss sich unser Land verändern?“, fragte sie und machte die Verbindung zur Diskussion um die Landeshymne. Während der neue Text für eine moderne und lebhafte Schweiz stehe, sähen andere darin den Bruch mit unserer Tradition und Geschichte.

Damit schlug sie den Bogen zum Festredner Hanspeter Spörri. Der im legendären, gleichnamigen Café aufgewachsene Ur-Teufner und Journalist erinnerte sich an die Bundesfeiern in seiner Kindheit auf dem Hechtplatz, wo nach Aufführungen der Turner jeweils noch die alte Landeshymne „Rufst du mein Vaterland“ gesungen wurde. Weil diese jedoch die gleiche Melodie hatte wie die britische Hymne, wurde sie 1961 provisorisch und 1981 per Gesetz durch den Schweizerpsalm ersetzt. Seither laufen Bestrebungen, eine neue, weniger pathetisch und religiös aufgeladene Landeshymne zu kreieren. Gegen den neuen Text könne man eigentlich nichts haben. „Weisses Kreuz im roten Feld“ orientiere sich weitgehend an der Präambel der Bundesverfassung, aber sei eben etwas banal, „ohne Ecken und Kanten, der kleinste gemeinsame Nenner aller Gutwilligen, eine Art Visitenkarte einer sich modern fühlenden Schweiz.“

Kein „einig Volk von Brüdern“

Sein Favorit für eine neue Landeshymne wäre Mani Matters „Yr Isebahn“, welches den helvetischen Zustand sehr gut beschreibe. Da werde um die richtige Richtung gestritten, man gebe einander mit den Schirmen aufs Dach, und niemand gehe der Sache auf den Grund. Damit könne er sich versöhnen. „Es wird nie möglich sein, als Land sehr wohlhabend und erfolgreich und gleichzeitig sehr glücklich und einig zu sein. Im schlimmsten Fall werden wir selbstgerecht und borniert, Gott bewahre.“  Die Schweiz sei eben „kein einig Volk von Brüdern“, sondern heute wie früher ein Land, in dem man es nie allen recht machen könnte. „In wichtigen und unwichtigen Fragen sind Schweizerinnen und Schweizer stets geteilter Meinung. Gottseidank.“

Wenn er jedoch die italienische und die französische Hymne höre mit ihren martialischen Texten, welche wie früher „Rufst du mein Vaterland“ den Heldentod beschwören, sei er recht froh, dass die Schweiz gewissermassen ein Kirchenlied zur Nationalhymne erkoren habe. Auch wenn der alte Text nicht mehr zeitgemäss, religiös und recht sperrig sei: Wenn er kurz vor Mitternacht den Schweizerpsalm am Radio höre, werde es ihm jeweils ein bisschen feierlich zumute, gestand er.

In Sachen Nationalhymne hätten wir wohl einen pragmatischen Kompromiss gefunden: „Singen wir halt beide Texte. Unserem Land geht es auch deshalb gut, weil wir keine grösseren Probleme haben. Weil wir am Ende, nachdem wir uns mit den Regenschirmen aufs Dach gegeben haben, hoffentlich doch irgendwie friedlich zusammensitzen und feiern. Und erst noch ohne Feuerwerk. Darüber freut sich geschätzt die Hälfte der Leute. Die andere ist traurig. So ist das halt in unserem Land.“

Nach dem Applaus für die Rede stimmte die Harmoniemusik die Appenzeller Landeshymne an, das Landsgemeindelied, das von manchen mit Inbrunst und stehend gesungen wurde.

Für die musikalische Unterhaltung sorgte bis spät in die Nacht das Duo Honeymoons, für die kulinarischen Genüsse die Guggemusik Tüüfner Südwörscht.

 

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2 Kommentare

  1. Ernst Tanner

    03.08.2018 / 17:40 Uhr

    Bundesfeier am 31. Juli
    Abgesehen davon, dass die Vorverschiebung der Bundesfeier wettermässig von Vorteil war, finde ich es total daneben.
    Wer kennt denn eine Nation, welche den Nationalen Feiertag schon einen Tag vorher feiert? Ist es einfach, dass man länger feiern und am Morgen ausschlafen kann anstatt zur Arbeit zu gehen? Das heisst für mich reiner Egoismus. Wenn ich nicht mit der Harmoniemusik beteiligt gewesen wäre, hätte ich die Feier nicht besucht.

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  2. Christine Auer von Ins

    01.08.2018 / 09:28 Uhr

    Abgesehen davon, dass mich die Vorverschiebung der Bundesfeier nicht begeistert, fand ich die wie immer schnittige, fröhliche Einstimmung durch die Harmonie-Musik, die schnelle und freundliche Bedienung der "Süd-Wörscht"-Truppe und vor allem die gekonnte,humorig-tiefsinnnige Rede von Hanspeter Spörri sehr gut. Dass beim Singen unseres Landsgemeinde-Liedes sehr viele sitzen blieben, vor allem aber, dass man die schöne vierte Strophe nicht singen durfte, hat mich wirklich gestört. Der nette Dirigent der Harmonie erklärte uns, man habe ihn durch die Gemeinde angewiesen, nur drei Strophen zu spielen.
    Warum wohl? Für mich unverständlich und schade.
    Gigi Auer

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