Ueli Schleuniger, Ökonom und Flüchtlingshelfer

31.01.2016 | Erich Gmünder
ueli schleuniger (38)

ueli schleuniger (38)Erich Gmünder

«Es ist einfach, auf dem weichen westeuropäischen Sofa zu sitzen, die Nachrichten zu sehen und die Sinnfrage zu stellen», sagt Ueli Schleuniger. Er liess sich berühren und war 18 Stunden später im Einsatz in einem Flüchtlingscamp.

Ueli Schleuniger sitzt uns in einem Teufner Café vis-a-vis und verzieht manchmal den Mund zu einer leichten Grimasse. Nicht weil er sich über die Fragen des Journalisten wundert, sondern weil er sich bei seinem letzten Einsatz einen Rückenwirbel gebrochen hat. Es passierte, als er bei einem Einsatz an der Küste von Lesbos einen Jungen aus einem ankommenden Schlauchboot ans Ufer trug und dabei stürzte.

Ein Rettungsschwimmer übernahm die kostbare Fracht, er landete unglücklich im Wasser und hilft sich nun mit starken Medikamenten über die Runden.

Die Sinnfrage

Lesbos, seine Nordküste: 10 –12 Kilometer lang, 480‘000 Menschen sind hier allein 2015 gestrandet, und nächstes Jahr, so schätzt er, dürften es noch mehr sein. Drei Wochen war er vor Ort als Helfer im Einsatz, und das hat seine Wahrnehmung nachhaltig geprägt. «Wir können diese Menschen nicht aufhalten, sie werden immer einen Weg finden, um vor dem Elend und den Grausamkeiten der IS und der Kriege in Irak, Iran, Afghanistan und Syrien zu fliehen.»

Oft werde er gefragt, ob denn so ein Einsatz überhaupt Sinn mache. «Eine typische Frage auf dem weichen westeuropäischen Sofa. Spätestens wenn man diese Familien sieht, die mit dem Letzten in Plastiksäcken, das sie haben, auf einem völlig überfüllten Schlauchboot ankommen, oder wenn man ein Baby im Arm hält und ins Trockene trägt, stellt man sich diese Frage nicht mehr.»

Für 15 Menschen sind die Gummiboote chinesischer Machart ausgelegt – bis zu 50 wagen zusammengepfercht die rund zweistündige Überfahrt von der türkischen Küste und kommen völlig durchnässt an. 1000 bis 1500 Euro zahlen sie pro Person.

BOOTSFLUECHTLINGE LESBOS (3)«Spätestens wenn man ein Baby im Arm hält und ins Trockene trägt, stellt man sich die Sinnfrage nicht mehr»

Die Schlepper treiben mit staatlicher Unterstützung ihre zynischen Geschäfte mit dem Elend dieser Menschen, sagt er. Dies, weil Europa nicht bereit sei, für eine sichere Passage der Flüchtlinge zu sorgen – «denn sie kommen so oder so, dann halt unter Einsatz ihres Lebens.»

«Da muss man etwas machen»

Ueli Schleuniger hat die HSG absolviert. Als Unternehmensberater habe er oft Feuerwehreinsätze geleistet und Firmen in einer chaotischen Situation wieder auf Vordermann gebracht. Seine 1500 Tage Erfahrung in der Armee und als Kompaniekommandant hätten ihm weiteres Rüstzeug vermittelt.

Alle diese Erfahrungen kommen ihm nun auch nach der Pensionierung zugute. «Da muss man doch etwas machen», habe er sich gesagt, als er «auf dem weichen Sofa» das nicht enden wollende Flüchtlingselend gesehen habe.

Zusammen mit dem befreundeten Arzt Dr. med. Hansjörg Hosch von Celerina fuhr er im Herbst mit einem mit Kleidern, Schuhen und Medikamenten vollbepackten Kleinbus nach Spielfeld/Sentilj an der slowenisch- österreichischen Grenze. Während sein Freund Flüchtlinge medizinisch versorgte, half er bei der Verteilung der Hilfsgüter.

Nach einem Urlaub nahm er das nächste Flugzeug nach Lesbos, nun ausgerüstet mit Fischerstiefeln, um den Bootsflüchtlingen zu helfen. Eingebettet ist er in die Schweizer Freiwilligen-Hilfskette schwizerchruez.com, welche die Hilfe rund um die Uhr koordiniert, denn die Boote landen Tag und Nacht, was eine 24-stündige Bereitschaft erfordert.

«Zurzeit werden die Flüchtlinge in Lesbos erstmals mit Temperaturen unter null Grad und mit Schnee konfrontiert», weiss er aus den Berichten seiner Freunde, die untereinander via WhatsApp und Facebook kommunizieren.

In Teufen engagiert er sich für den Hilfskonvoi nach Kurdistan. Für ihn eines der sinnvollsten Projekte. «Die Flüchtlinge sind in der autonomen Republik in Sicherheit, sie erhalten Hilfe vor Ort – und das Ziel ist, dass sie nach der Befriedung ihres Heimatlandes zurückkehren und beim Wiederaufbau helfen können. » Anfangs Februar wird er in Dohuk bei der Verteilung der Hilfsgüter des ersten Teufner Konvois helfen – wenn es denn sein malträtierter Wirbel zulässt. Nachher ist ein weiterer Einsatz auf Lesbos geplant. Mittelfristig will er sich für die Entminung der befreiten Gebiete in Kurdistan einsetzen.

Ueli Schleuniger

Geboren: 11. 7.1949 in Baden AG

Heimatort: Baden AG

Familie: seit 1978 in fester Partnerhaft mit Heidi Bitschnau

Erlernter Beruf: lic.oec. HSG/Unternehmensberater

Heute tätig als: Pensioniert

Lieblingsessen: Leberli mit Röschti

Lieblingsgetränk: Rotwein

Musikvorlieben: Mozart

Buch auf dem Nachttisch: Karim El-Gawhary/Mathilde Schwabeneder, Auf der Flucht. Reportagen von beiden Seiten des Mittelmeers

Hobbys: Garten, Wandern im Tessin

Lebensmotto: Es muss nicht immer Sinn machen, aber manches ist einfach notwendig.

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