"Wenn ich lache, vergessen die Leute vielleicht ihren Kummer"

15.07.2016 | Erich Gmünder
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Wie ich nach Teufen kam, ist ein grosser Zufall. Ich bin in Soussa aufgewachsen, einer tunesischen Stadt am Meer. Einer der Gäste, der im Hotel Ferien machte, wo ich arbeitete, war Walter Niederer, der Wirt in der Schäflisegg. Er hat mich eingeladen, ihn zu besuchen, und so bin ich hier geblieben. Bei ihm lernte ich die Schweizer Küche von Grund auf kennen. Zuerst war ich nur für die Salate und das Mise en place zuständig. Dann habe ich langsam begonnen, Spezialitäten wie Rösti, Chäschnöpfli oder Cordon bleu zu kochen.

Einmal haben wir eine neue Serviertochter gesucht. Da stellte sich Suzana aus Kroatien vor. Sie wurde eingestellt, wir haben uns verliebt und bald darauf geheiratet.

«Biene Maya»

Leider verkaufte er dann das Restaurant. Da erhielt ich eine Stelle im Altersheim Rotbach in Bühler. Später wechselte ich ins Seerestaurant in Rorschach. Dort ging es mir nicht gut. Da sah ich zufällig ein Inserat, dass in Teufen ein Postbote gesucht werde, und erhielt den Job.

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Mein Wunsch wäre, dass alle Menschen auf der ganzen Welt in Frieden zusammenleben.


Im August sind es jetzt genau 10 Jahre, dass ich bei der Post arbeite. Am Anfang war es schwierig, alle die verschiedenen Namen und Adressen auswendig zu lernen. Doch meine Arbeitskollegen haben mir sehr geholfen. Ich liebe diesen Job, weil man viel Kontakt mit den Menschen hat. Nur manchmal, vor allem im Winter, vermisse ich die Wärme und Sonne meines Heimatlandes.

Teufen gefällt mir sehr gut, und alle Leute sind sehr nett zu mir. Jemand sagte: Wenn du strahlst, bin ich glücklich. Das hat mich gefreut. Wenn ich lache, dann vergessen die Leute vielleicht für ein paar Sekunden ihren Kummer. Die Jugendlichen sagen mir «Sonnyboy» oder «Biene Maya», wegen dem gelben Postwägeli, dem gelben Helm und meiner braunen Hautfarbe. Mein Wunsch wäre, dass alle Menschen auf der ganzen Welt in Frieden zusammenleben. Rassismus kann ich gar nicht ertragen.

Ich glaube, viele Menschen sind sich gar nicht bewusst, wie gut es uns hier geht. Die kämen auf die Welt, wenn sie in Tunesien leben müssten. In meiner Heimat leben viele Leute noch in Armut. Mein Vater zog mit den Franzosen im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler-Deutschland und geriet in Kriegsgefangenschaft. Er wurde von den Nazis gefoltert und war danach ein gebrochener Mann.

Meine Mutter musste die Familie mit neun Kindern durchbringen, da mein Vater früh gestorben ist. Meine Geschwister und ich sind streng muslimisch erzogen worden. Doch meine Mutter ist sehr tolerant, sie hat überhaupt kein Problem damit, dass ich eine Katholikin geheiratet habe.

Ich begleite meine Frau manchmal zum Gottesdienst, auch wenn ich oft zweifle, ob es überhaupt einen Gott gibt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er all dieses Elend auf der Welt zulassen würde: Kriege, Terror, Hunger.

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Abi privat – die Küche ist sein Reich.

«Kein Pascha»

Leider habe ich nur eine 60-Prozent- Stelle. Ich würde gerne noch eine andere Arbeit annehmen, aber bis jetzt hat es nicht geklappt. So kann ich zuhause helfen. Suzana arbeitet als Küchenmitarbeiterin im Haus Unteres Gremm. Meine Frau und ich teilen uns die Hausarbeit. Einfach zuschauen, wenn jemand arbeitet, das kann ich nicht, ich bin kein Pascha (lacht). Zuhause kochen wir abwechslungsweise kroatisch oder tunesisch – aber unsere Kinder haben am liebsten die Schweizer Küche. Für Besuche machen wir oft Kalbshaxen mit Polenta oder Gratin. Meine Frau backt auch sehr gerne, ihre Spezialität sind Crèmeschnitten und Apfelkuchen.

In vier Jahren werde ich pensioniert. Dann möchte ich mit meiner Frau nach Kroatien ziehen. In Zadar steht ihr Elternhaus, wo wir auch meistens die Ferien verbringen. Vielleicht mache ich ja dort mal eine Beiz auf, mit schweizerischen, kroatischen und tunesischen Spezialitäten.

Notiert: Erich Gmünder


Abdessatar «Abi» Aissa


Geboren: 14. Januar 1955 in Sousse, Tunesien

Heimatort: Sousse, Tunesien

In Teufen seit: 1980

Familie: verheiratet mit Suzana, 2 Töchter: Ivonne, 1992, und Lea, 1994

Erlernter Beruf: Koch

Heute tätig als: Postbote

Lieblingsessen: Meeresfrüchte

Lieblingsgetränk: Mineralwasser

Musikvorlieben: I like Blues

Buch auf dem Nachttisch: Zeitung

Hobbys: Musik hören, Reisen im Mittelmeer

Lebensmotto: Frieden mit allen Menschen, und immer vorwärts schauen

 

Wir begleiteten Abi auf seiner Tour rund ums Dorf


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