"Wir wollen raus aus dem Elfenbeinturm und Bach allen näherbringen"

17.08.2016 | Erich Gmünder
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Xoán Castiñeira, Geschäftsführer der J.S. Bach-Stiftung.
Interview/Fotos: Erich Gmünder Wenn Menschen mit Geigen- oder Cellokästen am Bahnhof aussteigen und dem Lindensaal zustreben, wenn die Hotels gefüllt sind und aus der Gruppenunterkunft Alpstein frohes Lachen dringt, dann künden sich die Appenzeller Bachtage an. Gestern Abend war die feierliche Eröffnung mit einem Konzert in der Kathedrale St. Gallen, und heute früh macht das Besucherzentrum beim Zeughaus seine Pforten auf. Was die Bachtage mit Teufen zu tun haben und wer hier angesprochen werden soll, erklärt Xoán Castiñeira, Geschäftsführer der J.S. Bach-Stiftung im Interview. Herr Castiñeira, warum wurde wieder Teufen als Herz des kleinen Festivals ausgesucht – haben wir das dem Teufner Konrad Hummler, dem Präsidenten der Bach-Stiftung zu verdanken? Der Bezug hat sicher auch mit Herrn Hummler zu tun, aber Teufen verfügt über eine besondere Konstellation, von der Infrastruktur her, das Dorf ist sehr gut an den ÖV angebunden, und dann hat es diese einmalige Konstellation von Lindensaal und Zeughaus Teufen, einem schönen Platz zwischen beiden, und natürlich eingebettet in diese wunderschöne Landschaft. Das gibt es nicht überall, dieses Potenzial.
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Xoán Castiñeira mit dem in Teufen aufgewachsenen Oliver Forrer, dessen Firma FORB Kommunikation AG für die Kommunikation der Appenzeller Bachtage verantwortlich ist.
Die Appenzeller Bachtage leben auch von der Einbettung am Ort, wo sie stattfinden, man geht nicht nur in einen Konzertsaal, hört etwas und geht wieder nach Hause. Wir verstehen die Bachtage als Möglichkeit der Begegnung mit Künstlern, mit Akademikern, Publikum aus verschiedenen Orten und auch Ländern, dafür braucht es auch ein Begegnungszentrum. Das Besucherzentrum soll wirklich ein Ort der Begegnung sein. Unsere Intention ist, dass sich die Leute hier aufhalten und miteinander sprechen, essen, und auch die Ortschaft Teufen besuchen. So sind in den Tickets auch Gratiseintritte wie z.B. für Ausstellungen im Zeughaus Teufen inbegriffen. Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie und woher kommen sie? Ich rechne mit mindestens 4000 Besuchern, allein für das Eröffnungskonzert in St. Gallen wurden 800 Plätzeverkauft, das ist sehr erfreulich. Die Leute kommen nicht nur aus der Region, sondern manche auch aus Deutschland und Italien, so wie viele Besucher der Kantaten extra aus Wien oder Bonn nach Trogen reisen. Bei den ersten Appenzeller Bachtagen 2014 sind Besucher gar aus den USA angereist. Haben die Bachtage auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung für Teufen? Oh ja, die Hotels sind sehr gut belegt durch uns, die Schüler von der SBW Haus des Lernens wohnen hier in der Gruppenunterkunft Alpstein – übrigens eine super Einrichtung, wir sind alle begeistert – , und für die Gastronomie und den Tourismus ist es eine super Sache. Aber wir haben von Teufen auch einen Gemeindebeitrag erhalten, und mit Gallus Hengartner ist die Gemeinde auch im OK engagiert. Was haben Sie nach der ersten Durchführung 2014 gelernt? Wir haben aus organisatorischer Sicht sehr viel gelernt, haben uns sehr viele Gedanken gemacht und hoffen, dass sich die Leute hier wohlfühlen. Die Appenzeller Bachtage wollen langfristig auch ein Festival für die Menschen sein, die nicht unbedingt an die Kantatenkonzerte kommen, einfach weil sie zu weit weg sind. In diesem Sinne wollen wir etwas mittel- und langfristig aufbauen, ein Festival für Menschen aus der Region, aber auch aus der ganzen Welt. Also es geht weiter? Es geht weiter, wir sind natürlich auch angewiesen auf neue, weitere Finanzierungsquellen. Die Bach-Stiftung kann das nicht alles selber tragen. Die Bachtage freuen sich über zahlreiche Unterstützer. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir das wirklich durchsetzen können. bachtage inti xoan (5)

Das Besucherzentrum soll zum Ort der Begegnung werden.

Wie kam es überhaupt zu den Appenzeller Bachtagen? Es war einfach der Wunsch, dass wir etwas machen, nicht nur für das Publikum, das die Kantaten besucht, sondern auch für viele andere Menschen. Die ursprüngliche Idee war, eine Akademie, weil die Idee der Vermittlung an die nächste Generation zentraler Stiftungszweck von uns ist. Daraus entstanden die Appenzeller Bachtage, aber wir wollten nicht einfach ein anderes Festival kopieren, in diesem Sinne war es ein Experiment. Das zeigt sich auch in den Konzertformaten, die sind auch ziemlich ungewöhnlich, untypisch: Konzerte in privaten Häusern, Bach in der Früh, Bach bewegt, die Brückenwanderung und als Abschluss die Bach-Nacht, mit einem Programm, das viele Überraschungen verspricht. Wir wollen damit eine andere Publikumsebene erreichen als an den Kantatenkonzerten. [post_teaser id=“82638, 82923″] Wer soll sich denn angesprochen fühlen – sind es nur die eingefleischten „Bachfreaks“ oder ist jedermann willkommen? Die Programmplanung ist so gedacht, dass wir ein möglichst breites Publikum ansprechen können. Die Akademien sind sicherlich orientiert an Bachkennern, mit weltbekannten Bachexperten, aber andere Module sind wirklich für jedermann. So bezeichnen wir die Bach-Nacht (Samstag) auch als Unterhaltungsabend auf hohem Niveau. Uns geht es darum, nicht im Elfenbeinturm zu sein, sondern Bach allen zugänglich zu machen. Auf dem Programm stehen u.a. eine Brückenwanderung, Tanz, Bach in den Häusern, und im Begegnungszentrum kann man auch essen und trinken. Sie wollen das Publikum mit allen Sinnen ansprechen? Das ist unser Anliegen, dass nicht nur der klassische Bachkenner kommt, der Bachfestivals wie Leipzig, Ansbach oder Schaffhausen in der Schweiz besucht, sondern am liebsten hätte ich, wenn beispielsweise auch der Bauer vom Steigbach  Lust hat, an die Bach-Nacht zu gehen. Oder einfach mal im Besucherzentrum vorbeischaut und einen Kaffee trinkt.
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Besuch bei der Probenarbeit von „Bach bewegt“ im Lindensaal, wo Royston Maldoom die jungen Tänzerinnen vom SBW Haus des Lernens aufwärmt.
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..am Klavier begleitet von Rudolf Lutz, musikalischer Leiter der Bach-Stiftung persönlich.
Wie erleben Sie die Teufner? Ich erlebe die Gemeinde als sehr offen. Schon 2014 sind sehr viele Teufner gekommen. Oder ein kleines Beispiel: Als wir das erste Mal mit dem Hauswart vom Lindensaal gesprochen haben, waren wir schon per Du. Es ist wirklich eine sehr freundliche Atmosphäre, alle sind sehr hilfsbereit, besser kann es nicht gehen. Jetzt geht also eine lange Vorbereitungszeit zu Ende, wie fühlen Sie sich da? Wir sind müde, aber wir freuen uns wahnsinnig. Man arbeitet monatelang, jahrelang sogar auf dieses Ziel hin – die Planung dieser Bachtage begann 2014 nach dem Ende der Bachtage 2014 – , und wenn man dann den Menschen begegnet, wenn da die Künstler aus Berlin oder irgendwo mit der Appenzeller Bahn anreisen, dann ist das eine grosse Freude. Wir sind sehr gespannt und hoffen, dass sich alle, die Musiker und das Publikum wohlfühlen.

Was fasziniert Sie an Bach?

Xoán Castiñeira: Einerseits dieses Mathematische, die Präzision, die in der Kompositionkunst fasziniert, aber gleichzeitig auch eine hohe Emotionalität, es hat etwas Geistiges, wenn man will auch Religiöses. Das Geistige in dieser Musik spüre ich stark. Die Musik von Bach gibt mir Halt. Und wenn ich als Musiker Kompositionen vom ihm spiele, hat es fast etwas Meditatives, weil alles so logisch aufgebaut ist. Es ist wie ein prächtiger Palast mit verschiedensten Zimmern und Möglichkeiten, man findet immer einen Weg und neue Überraschungen. Das ist faszinierend. Ich habe selber sehr viel Bach gespielt, meine Klavierlehrerin war eine grosse Bachspielerin, sie spielte die Goldberg-Variationen von Bach sehr oft, und so habe ich den Zugang gefunden. bachtage inti xoan (14) Xoán Castiñeira (1983) Der gebürtige Spanier ist in Galicien aufgewachsen, hat zuerst in Barcelona, dann in London, Berlin und Chicago Klavier und Musikwissenschaften studiert und eine Karriere als Konzertpianist gestartet, bevor er sich für das Kulturmanagement entschied. Seit einem Jahr ist er Geschäftsführer der St. Galler J.S.Bach-Stiftung. Das ganze Programm, Tickets und weitere Infos unter: www.bachtage.ch

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