Am seidenen Faden

06.02.2024 | Timo Züst
stardecor
Manfred Brunner mit seinen beiden Söhnen Christian und Flavio (v.l.n.r.) im Showroom vom «Stardecor» in Teufen. Foto: tiz

Ende Januar wurde bekannt: Das Traditionsunternehmen «Cilander» steht vor dem Aus. Voraussichtlich Ende August wird der Textilveredler den Betrieb in den Standorten Herisau, Flawil und Lützelflüh (BE) einstellen – rund 190 Mitarbeitende wären davon betroffen. Grund sind ein massiver Nachfrageeinbruch und gestiegene Energiepreise. Was ist da los in der Schweizer Textilbranche? Ein Gespräch mit Manfred, Christian und Flavio Brunner von «Stardecor».

Am 26. Januar 2024 schaffte es die AG Cilander auf die Titelseite der «Appenzeller Zeitung». Aber nicht mit guten Nachrichten: «Herisauer AG Cilander vor dem Aus – 190 Mitarbeitende betroffen». Konkret geht es um die bevorstehende Schliessung des Textilveredlers mit Standorten in Herisau, Flawil und Lützelflüh (BE). Inzwischen wurde ein Konsultationsverfahren eingeleitet. Bringt dieses keine neuen Erkenntnisse, ist Ende August Schluss. Und das, obwohl die Mitarbeitenden laut CEO Burghard Schneider «alles getan haben, um das Unternehmen zu stützen». Aber die Geschäftsleitung sehe schlicht keinen gangbaren Weg mehr. Zu massiv sind der Einbruch bei der Nachfrage und der Anstieg der Energiekosten. Es war eine Schock-Nachricht für viele Ausserrhoder. Die über 200 Jahre alte «Cilander» ist ein wichtiger Teil der Industriegeschichte des Kantons und ein Pionierunternehmen der regionalen Textilbranche.

Manfred Brunner, Inhaber des Textilverlags Stardecor in Teufen, hat die Nachricht nicht überrascht: «Natürlich liest man so etwas nicht gern. Aber es hat sich abgezeichnet. Der ‘Cilander’ sind die Kunden abhandengekommen.» Bei diesen Kunden handelt es sich unter anderem um Webereien. Sie lassen ihren Stoff bei Ausrüstern wie der «Cilander» veredeln. «Das heisst, sie behandeln den Stoff, um ihn weicher und geschmeidiger zu machen. Oder ihm besondere Eigenschaften zu verleihen», erklärt Christian Brunner. Sein Bruder Flavio fügt an: «Zum Beispiel der ‘selbstbügelnde Hemdstoff’.» Und viele dieser Webereien oder Stickereien mussten in den letzten Jahren schliessen. Oder verlagerten ihre Produktion ins Ausland. Auch in den Räumen der «Stardecor», früher Heimat der Weberei Schläpfer, lagern fast ausschliesslich Stoffe aus dem Ausland. «Das ist schon lange so. In der Schweiz wird sowas kaum mehr produziert», sagt Manfred Brunner.

Vom Garn zum Hemd

Die drei Brunners kennen den Schweizer Textilmarkt. Sie bilden die Geschäftsleitung von «Stardecor». Ein Unternehmen mit 75 Mitarbeitenden, das vom Handel mit importierten Stoffen und dem Nähen von Vorhängen sein Geld verdient. Die 35 Näherinnen produzieren am Firmensitz in Teufen hauptsächlich Vorhänge auf Mass. «Wir verkaufen auch Standard-Ware wie Fertigvorhänge. Aber die macht weniger als 10 Prozent aus – und wird im Ausland genäht», so Christian Brunner. Die Stoffe kauft «Stardecor» unter anderem in der Türkei ein. Einige kommen auch aus Italien, Spanien oder Portugal. «Aber die Türkei ist hier schon Spitze. Das gilt für die Menge, das Tempo und die Qualität.»

Als Händler und Nähbetrieb ist «Stardecor» am Ende der textilen Produktionskette angesiedelt. Am Anfang stehen die Spinnereien bzw. Zwirnereien. Hier werden Faden und Garn produziert. Die reisen dann weiter in eine Weberei, wo sie zu Stoffen verarbeitet werden. Nächster Schritt ist die Veredelung in einem Betrieb wie «Cilander». «Das ist wichtig, weil die Fasern, beispielsweise Baumwolle-Fasern, während des Webens ziemlich leiden. Der Stoff frisch ab dem Webstuhl ist deshalb oft eher rau und sieht nicht besonders schön oder glänzend aus.» Das wird bei der Veredlung behoben, erklärt Flavio Brunner. Zudem werden die Stoffe beim sogenannten Ausrüsten auch auf die Bedürfnisse des Kunden «angepasst». Die «Cilander» liefert auch an die Armee. «Die hat natürlich andere Ansprüche als ein Hersteller schöner Hemden wie zum Beispiel ‘Eterna’.»

Das Problem: Die produzierende Textilbranche im Land wird immer kleiner. Zwirnereien sind inzwischen eine Rarität und auch Webereien haben nur wenige überlebt. «Ich glaube, die kommen leider auch nicht mehr zurück. Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Stoffe werden hier vermutlich nie mehr im grossen Stil hergestellt», sagt Manfred Brunner. Trotzdem: Tot ist die Textilbranche deswegen nicht. Die «Stardecor» ist dafür ein gutes Beispiel.

Kurze Wege

Flavio und Christian Brunner sind 38 bzw. 37 Jahre alt. Die zwei Textilfachmänner leiten «Stardecor» schon seit Jahren gemeinsam mit Vater Manfred Brunner. «Natürlich wären wir nicht eingestiegen, wenn wir nicht an die Zukunft des Unternehmens glauben würden», sagt Christian Brunner. Und bis heute deutet auch nichts auf eine baldige Krise hin. Die Auftragsbücher sind am überquellen und man exportiert sogar Vorhänge bzw. Vorhangstoff ins nahe Ausland. «Wir haben unsere Prozesse so weit optimiert, dass wir mit den Preisen in Österreich oder Deutschland mithalten können», so Flavio Brunner. Das Auslagern der Näharbeiten ist deshalb bisher kein Thema. Klar, im Ausland zu nähen, wäre billiger, aber: «Bei uns steht Flexibilität an erster Stelle. Wir müssen schnell qualitativ hochwertige Massvorhänge liefern können. Das geht nur, wenn die Wege kurz sind.» Also läuft alles wie am Schnürchen? Nicht ganz, sagt Vater und Inhaber Manfred Brunner: «Es wird immer schwieriger, gute und loyale Mitarbeitende zu finden. Sowohl im Büro als auch in der Produktion. Und natürlich müssen wir uns ständig weiterentwickeln. Die Bedürfnisse der Kundschaft verändern sich laufend. Wer da nicht mitgeht, hat verloren.»  tiz

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