Das Thema bewegt - die Meinungen sind geteilt

04.05.2017 | TPoscht online
orientierungsversammlung tunnel doppelspur marlis (2)

Matthias Jäger

Die Ortsdurchfahrt bewegt, der Lindensaal war bei der Orientierung des Gemeinderats zur Kurztunnelinitiative voll. Emotionen, gelegentlich auch schwierige, waren durchaus vorhanden. Geteilte Meinungen gehen quer durch Parteien, Gruppierungen und sogar Familien. Und doch blieb der Ton weitgehend sachlich.

Das Dorf hat, wie Moderator Hanspeter Spörri in seiner Einleitung feststellte, unterschiedliche Meinungen, aber es ist kein geteiltes Dorf. Das bestätigt auch einer der Initianten. Er war zwar nicht nur glücklich über die Veranstaltung, schätzt aber, dass man in Teufen trotz allem weiterhin miteinander reden kann, und dass die Stimmung nicht so vergiftet ist, wie man das von anderen Orten hört.

Die Anwesenden erhielten in der rund zweieinhalbstündigen Veranstaltung eine geballte Ladung von Informationen von nicht weniger als sieben Referenten und Referentinnen vorgesetzt und beteiligten sich an der anschliessenden Frage- und Diskussionsrunde.

(Wir verzichten in diesem Beitrag auf technische Details und Zahlen. Diese sind in den Präsentationen auf www.odt.teufen.ch einsehbar.)

Ansicht des geplanten Bahnhofkreisels, Blickrichtung Dorf-Bahnhof. Visualisierung: TBA AR

Bahnhofkreisel

Der Kanton will und muss die Bahnhofkreuzung sanieren, damit sie das Verkehrsaufkommen langfristig bewältigen kann. Der Bau eines Kreisels ist grundsätzlich unabhängig von Tunnel oder Doppelspur, muss aber mit der Bahn koordiniert werden. Und weil die Appenzeller Bahnen den Bahnhof Teufen im Hinblick auf das neue Rollmaterial und den Fahrplanwechsel im Dezember 2018 ohnehin umbauen, ist eine koordinierte Abwicklung der zwei Bauprojekte im Interesse der Gemeinde. Die Appenzeller Bahnen reichen das Gesuch für den Bahnhofumbau in diesen Tagen ein, das Plangenehmigungsverfahren für den Bahnhofkreisel soll ebenfalls noch im Mai 2017 eingeleitet werden. Die Abstimmung über den Kurztunnel ändert an diesem Ablauf nichts. Das bestätigten sowohl Gemeinde, Kanton als auch Bahn.

Archivaufnahme: EG

Parkplatzsituation im Dorf

Die rechtwinklig angeordneten Parkplätze können trotz Doppelspur auf dem Dorfplatz erhalten bleiben. Weil deren Abstand von der Fahrspur grösser wird, und weil die Bahn immer nur aus einer Richtung käme, würde die Sicherheit für Autofahrer sogar erhöht. Ob überhaupt, und  – wenn ja – wie viele Parkplätze durch Leitungsmasten verdrängt würden, kann zurzeit noch niemand sagen. Entsprechende Vorprojekte existieren noch gar nicht. Allerdings wird Teufen ohne die Bereitschaft, einige Parkplätze in einem Parkhaus zu «versorgen», nie einen Dorfplatz mit Begegnungscharakter erhalten. Das sei, wie Pascale Sigg ausführte, unabhängig von Doppelspur oder Tunnel. Wenn bei einem bahnfreien Platz mit eher noch steigendem Verkehrsaufkommen nur die wegfallende Bahnspur zur Gestaltung freigegeben werde, gebe es ganz einfach zu wenig Raum zur Gestaltung eines Dorfplatzes, meinte die Präsidentin der Arbeitsgruppe Gestaltung Dorfzentrum.

Sicherheit

Mehr Sicherheit, insbesondere für den Langsamverkehr, haben sich alle Beteiligten, also sowohl die Initianten des Kurztunnels als auch Kanton, Bahn und der Gemeinderat auf die Fahne geschrieben. Dabei räumte Pascale Sigg ein, dass die Untertunnelung auf der kurzen Strecke zwischen Bahnhof und altem Bahnhof die Sicherheit etwas erhöhen könnte. Gleich nach der Kurve beim Schützengarten schaffe der Kurztunnel aber eine umso schwierigere, gefährlichere, wenn nicht sogar unhaltbare Situation.

Für den Gemeinderat ist die Sicherheit, insbesondere auf den Schulwegen, ein zentrales Anliegen. Das gilt nicht nur für den Dorfplatz, sondern für die ganze Strecke vom Bahnhof bis zur Lustmühle. Teufner Schüler fahren seit Generationen mit dem Velo nach Niederteufen. Die können das zwar, stellte Urban Keller etwas sarkastisch fest, aber mit Verkehrssicherheit habe das nichts zu tun. Die Frage der Sicherheit für Velofahrer seien weniger die Schienen, sondern vielmehr, ob sie genügend Raum haben. Und der fehlt auf der ganzen Strecke. Autos wechseln zum Überholen auf die Gegenfahrbahn, drängen Velofahrer an den Rand, oder fahren hinter ihnen her.

Schlüsselstelle Schützengarten-Spar-Elektro Nef

Im Tunnel habe die Bahn freie Fahrt, argumentieren die Initianten. Die Appenzeller Bahnen stimmen dem zu. In Eisenbahndeutsch heisst das dann, der Zug fahre auf dieser Strecke im Bahnregime (im Unterschied zum Strassenbahnregime). Das hat zur Konsequenz, dass der Zug ab Bahnhof freie Fahrt haben muss, und dass Werdenweg und Schützenbergstrasse mit Schranken gesichert werden müssen. Diese würden alle 7 Minuten geschlossen. Damit würde die Situation nach den Worten von Pascale Sigg für den Spar (Kunden über Schützenbergstrasse, Anlieferung über Werdenweg), für die Velofahrer mit Ziel Velounterstand, für die Schüler mit Ziel Turnhalle Dorf schwierig bis unerträglich. Und letztlich würde ein ganzes Wohngebiet abgeschnitten, quasi hinter Schranken versorgt. Die Gemeinde befürchtet das Szenario, dass Autofahrer von Schützenberg und Fadenrain über die Gremmstrasse ausweichen, und so das Dorfzentrum zusätzlich belasten würden.

Die Visualisierung im Flyer der Initianten zum Portal Schützengarten ist nach Urban Keller irreführend, weil unrealistisch und unmöglich. Eine «blaue» Kantonsstrasse muss zweispurig sein, und dafür fehlt dort der Platz. Also müsste entweder die Bahn ganz an die Häuser gelegt werden, oder aber die Strasse müsste auf der anderen Seite verbreitert werden können.

Zur behaupteten Pförtnerwirkung bei Elektro Nef stellt der Kantonsingenieur trocken fest: «Das ist keine Pförtnerwirkung, sondern ein geduldeter Zustand, der mit oder ohne Tunnel, mit oder ohne Doppelspur so nicht mehr haltbar ist.»

Dass die Strecke beim Spar «das Haar in der Suppe» des Kurztunnels sei, räumte auch Köbi Brunnschweiler ein. Die Initianten verlangen dort kreative Lösungen. Aber wie soll man in einem Gebiet kreativ sein, wenn der Raum dazu schlicht und einfach fehle, fragte Pascal Sigg rhetorisch in den Saal.

Kosten

Die Kosten für die Gemeinde gaben und geben zu reden. Der Initiativtext spricht von CHF 10 Mio., die Gemeinde schätzt sie auf CHF 24.8 Mio. mit einer Genauigkeit von +/- 30%. Als Vertreter der Initianten stellt Werner Hugelshofer sowohl diesen Ungenauigkeitsfaktor als auch einzelne Positionen der Kostenschätzung in Frage. Nach Auskunft von Fachleuten ist zu diesem Zeitpunkt und ohne Vorprojekt allerdings keine präzisere Kostenschätzung möglich, und dies entspricht dem branchenüblichen Standard. Zu den einzelnen Positionen der Kostenschätzung stellt Thomas Baumgartner klar, dass der Bahnhof und der Tunnelbau die beiden entscheidenden Kostenfaktoren seien, aus der sich die Kosten für die Gemeinde ableiten lassen.

Die Bau- und Volkswirtschaftsdirektorin, Marianne Koller-Bohl, hält fest, dass der Kanton keine Beiträge an einen Kurztunnel leisten werde. Der Kanton könne es nicht verantworten, Steuergelder in ein Projekt mit einem so schlechten Kosten-/Nutzenverhältnis zu investieren.

Für die Gemeinde wären, so Reto Altherr, die Kosten für einen Kurztunnel zu verkraften. Für den Gemeinderat wäre es allerdings eine schlechte Investition.

Zukunftstauglichkeit

Sowohl die Initianten als auch der Gemeinderat sind von der Zukunftstauglichkeit ihrer Variante überzeugt. Dabei sprechen die Initianten vom Dorfzentrum, während der Gemeinderat die Vision einer starken Achse für den Langsamverkehr bis nach Niederteufen hat.

Belastung durch Bauarbeiten auf der Zeitachse

Gemäss Grobplanung der Appenzeller Bahnen werden Bahnhof Teufen und Bahnhofkreisel 2018/19 gebaut, und die Doppelspur 2020/21. Das heisst, die Belastung des Dorfes durch Bauarbeiten wird bis 2021 so oder so hoch sein.

Bei Annahme der Initiative Kurztunnel würden Bahnhof und Bahnhofkreisel wie vorgesehen 2018/19 gebaut. Zusätzlich müssten einzelne Sicherheitslücken bei der Dorfdurchfahrt geschlossen werden, weil sie nicht mehr auf unbefristetes Zusehen hin geduldet werden können. Die Abstimmung über einen Projektierungskredit wäre gemäss Reto Altherr gegen Ende 2017 möglich. Die Ausarbeitung eines abstimmungsreifen Projekts sollte nach Auskunft von Arthur Hitz, dem Gesamtprojektleiter Ortsdurchfahrt, nach Auftragserteilung innerhalb eines Jahres möglich sein. Damit könnte die Abstimmung über einen Objektkredit etwa 2019 erfolgen.

Sollte auch dieser Objektkredit angenommen werden, ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen, wie lange die Bauarbeiten dauern würden. Ein Votant aus dem Publikum zeichnete auf jeden Fall ein düsteres Bild: Der Bahnhof müsste zurückgebaut und eine Stufe tiefer nochmals neu gebaut werden, die beiden Tunnelportale wären Grossbaustellen mitten im Dorf mit tausenden von Lastwagenfahrten. Erst nach Fertigstellung und Inbetriebnahme des Tunnels könnten die Gleisanlagen im Dorf zurückgebaut werden. Dabei müssten voraussichtlich gleichzeitig die Werkleitungen ersetzt werden. Und schliesslich könnte erst dann der Dorfplatz umgestaltet werden. Wieviele Jahre das alles dauern würde, kann noch nicht beziffert werden.

Abstimmungsgegenstand

Abgestimmt wird einzig und allein über einen allfälligen Kurztunnel. Urban Keller erinnerte an alle Varianten, die ursprünglich geprüft worden waren. Aus dieser Prüfung ging die Doppelspur als Option mit dem besten Kosten-/Nutzenverhältnis hervor, gefolgt von einem Tunnel bis Stofel. Dieser wurde in der Volksabstimmung von 2015 deutlich abgelehnt. Bei der damaligen Prüfung erwies sich der Kurztunnel als Variante mit dem schlechtesten Kosten-/Nutzenverhältnis und wurde deshalb fallen gelassen. Sollte am 21. Mai an der Urne ein Ja resultieren, würde der Gemeinderat einen Projektierungskredit für einen Kurztunnel vorlegen. Er hätte keinerlei Auftrag, nochmals alle möglichen Varianten zu prüfen.

Empfehlung Gemeinderat

Der Gemeinderat empfiehlt die Ablehnung der Initiative. Reto Altherr fasste die Gründe dafür zusammen:

  • Die Sicherheit ist dem Gemeinderat auf der ganzen Achse bis Niederteufen ein Anliegen, nicht nur auf dem Dorfplatz. Diese ganze Achse ist Schulweg.
  • Die Doppelspur ist nicht nur günstiger als ein Kurztunnel, sondern hat vor allem das bessere Kosten-/Nutzenverhältnis.
  • Durch die Reduktion von drei auf zwei Fahrspuren schafft die Doppelspur neue Freiräume. Sie lässt Optionen offen für die Zukunft und ist damit nachhaltiger.
  • Ein Kurztunnel schafft neue Probleme beim Spar und verursacht durch die Tunnelportale massive bauliche Eingriffe ins Ortsbild.
  • Der Tunnel wäre zwar finanzierbar, aber der Gemeinderat erachtet es als schlechte Investition in die Zukunft von Teufen.

Nächste Schritte

Nach Fredy Brunner hat Teufen nicht in erster Linie ein Bahn-, sondern ein Verkehrsproblem zu lösen. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Kontrahenten irgendwann zu einer gemeinsamen Lösungssuche zusammensetzen. Er erinnert an das Riethüsli, wo die Situation nicht einfacher war als in Teufen, und die Meinungen genauso gegensätzlich. Dort machte ein Quartier vor, wie man Lösungen finden kann.

Wie sowohl der Gemeindepräsident als auch der Vertreter der Initianten festhielten, gibt es bei dieser Frage kein Richtig oder Falsch. Es ist ein politischer Entscheid. Die Stimmenden haben für sich selber zu entscheiden, für welche Lösung sie bereit sind, was zu bezahlen, und wofür sie bereit sind, welche Unsicherheiten in Kauf zu nehmen. Auf jeden Fall ist die Frage genügend wichtig, dass sie, wie Reto Altherr in seinem Schlusswort sagte, eine hohe Stimmbeteiligung verdient.

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