«Der Kurztunnel hat ein sehr schlechtes Kosten/Nutzenverhältnis»

01.05.2017 | Erich Gmünder
AB Baumgartner Hitz (47)
Thomas Baumgartner (rechts) und der Gesamtprojektleiter der Appenzeller Bahnen für die Doppelspur in Teufen, Arthur Hitz. Fotos: Erich Gmünder
Die Tunnelabstimmung vom 21. Mai bewegt die Gemüter in Teufen und hinterlässt auch viele Fragen, weil zum Teil widersprüchliche Aussagen im Umlauf sind. Wir sprachen darüber mit Thomas Baumgartner, Direktor der Appenzeller Bahnen. Interview: Erich Gmünder Herr Baumgartner, Sie haben an der Orientierungsversammlung des Initiativkomitees vom 6. April aufmerksam zugehört und nicht nur einmal den Kopf geschüttelt, was hat Sie gestört? Ich unterstützte die Information der Bevölkerung sehr; das Informationsbedürfnis ist zweifelsohne vorhanden. Allerdings müssen die Informationen korrekt und vor allem vollständig sein, ansonsten sie zu Verunsicherung, Missverständnissen und in der Folge möglicherweise zu Fehlentscheidungen führen können. Ein Punkt, wozu Sie im Nachgang gegenüber den Medien Stellung genommen haben, waren die Aussagen von Christian Ehrbar, wonach ihm Herr Hitz gesagt habe, dass die Haltestellen beim Stofel und beim Sternen auf die Strasse verlegt werden sollen, womit der Individualverkehr nicht mehr überholen kann. Das stimme so nicht, sagten Sie. Es wurde vor allem mit einer Bestimmtheit gesagt – und damit der Eindruck erweckt –, als sei dies beschlossene Sache. Wir projektieren seit dem Nein zum Tunnelkredit im Januar 2015 die Doppelspur, seit Anfang dieses Jahres auch im Bereich Dorfzentrum bis Stofel. Ein wichtiger Teil dieser Projektierungsarbeit sind die Fragen, wo genau die Doppelspur auf die Einspur wechselt und wo die zukünftige Haltestelle Stofel hinkommen soll. Diese Fragen sind Gegenstand des laufenden Variantenstudiums inkl. Haltestellengestaltung. Beschlossen ist diesbezüglich noch gar nichts. Es gibt einen Plan «Vision Niederteufen 2050» auf der Homepage der Gemeinde Teufen, der aber genau das vorsieht. Es handelt sich dabei um eine sehr grobe Visualisierung aus dem Jahr 2014 im Auftrag des Kantons. Sie zeigt eine mögliche Gestaltung des gesamten Raumes vom Sonnenrank bis zur Linde, unter der Annahme, man plant eine Strassenbahn. Was kostet die Verlängerung der AB-Doppelspur von Stofel bis Niederteufen oder Lustmühle und ist es tatsächlich die Gemeinde, die das bezahlen muss? Ohne genauere Abklärungen und bessere Plangrundlagen kann man heute keine verlässlichen Kostenangaben machen. Es stimmt jedoch nicht, dass die Gemeinde die Kosten alleine tragen müsste. Die Finanzierung der Substanzerhaltung der Bahninfrastruktur ist Sache der Bahn, welche wiederum zu 100% vom Bund finanziert wird. Die Bahn und der Bund realisieren indessen nur Projekte mit einem angemessenen Kosten-/Nutzenverhältnis. Stehen teurere alternative Projekte zur Diskussion, so müsste die Kostendifferenz vollständig von Dritten (= Gemeinde) finanziert werden. Irgendwann muss die Bahn ihre Gleisanlage zwischen Stofel und Sonnenrank ersetzen. Dies wäre dann der Anlass, den Grundsatzentscheid für oder gegen die Verlängerung der Doppelspur zu fällen. Dem Komitee ist auch der «überdimensionierte» Bahnhofkreisel ein Dorn im Auge, dem Parkplätze, Veloständer und das Wetterhäuschen weichen müssten. Das künftige Verkehrsvolumen verlangt nach einer für alle Verkehrsteilnehmer besseren Lösung. Sowohl der Auto- als auch der Bahnverkehr nehmen zu. Ein Miteinander beider Verkehrsträger ist wichtig. Der Kreisel beansprucht mehr Platz als die heutige Lösung, das stimmt. Die Kreisellösung steht aber nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit der Bahn, sondern mit der Bewältigung des zunehmenden Gesamtverkehrs und der sicheren Fussgängerführung. Im Übrigen stellen die AB einen sehr grossen Teil der Mehrfläche für den Kreisel zur Verfügung. Die Aussage an der Infoveranstaltung des Initiativkomitees vom 6. April, dass wegen dem Kreisel die Perrons in Richtung Linde verschoben werden müssen, stimmt nicht. Die Perrons müssen wegen der neuen Gleisgeometrie des Bahnhofs und dem Lichtraumprofil nach Süden geschoben werden. Die Verschiebung beträgt im Übrigen gerade mal 12 Meter. Thematisiert wurden an der Versammlung auch die – Zitat – «grotesk hohen Sicherheitsmargen bei der Kostenschätzung von plus/ minus 30 Prozent». Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger können das nicht nachvollziehen. Für die Genauigkeit von Kostenschätzungen von Tief- und Bahnbauprojekten gibt es in der Schweiz eine etablierte und bewährte Praxis. Solange keine verlässlichen Vorprojekte vorliegen, wie das sowohl bei der Kurztunnel- als auch der Doppelspurlösung der Fall ist, entspricht die erwähnte Bandbreite der Kostengenauigkeit dieser Praxis. Mit der Vertiefung der Projektierung (Vorprojekt, anschliessend Bauprojekt) reduziert sich diese Bandbreite der Schätzung auf +/- 20 bzw. +/¬10%. Das wäre aus Sicht des Stimmbürgers ein Argument, beide Varianten zu einem Vorprojekt auszuarbeiten, damit man hier mehr Klarheit erhält. Das könnte man so sehen. Bei der Beurteilung der beiden Varianten Doppelspur und Kurztunnel stehen nicht nur die Kosten, sondern auch Sicherheitsbetrachtungen, Gestaltungsfragen und bahnbetriebliche Aspekte (Nutzen) im Vordergrund. Dies alles führt dann zu einer Kosten/Nutzenbetrachtung. Und da schneidet die Doppelspur wesentlich besser ab als der Kurztunnel. Der Gemeinderat hat am 4. April pointiert seine Empfehlung für ein Nein zur Initiative präzisiert und dabei deutlich gemacht, dass er sich Sorgen macht, dass die jetzige gefährliche Situation länger anhält. Kommt es bei einem Ja zur Initiative wirklich zu Verzögerungen bei der Umsetzung der Doppelspur? Die Bahn ist verpflichtet, die Sicherheit auf ihrem Netz zu gewährleisten und die Bahnübergänge zu sanieren. Der heutige Zustand bei der Bahnhofkreuzung darf nicht mehr länger toleriert werden. Mit dem geplanten Kreisel und der Lichtsignalanlage für die Zugsdurchfahrten wird die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer massiv verbessert. Bei den weiteren Schlüsselstellen der Dorfdurchfahrt (Gremmstrasse, Werdenweg, Schützenbergstrasse, usw.) werden wir bei einer sich hinziehenden Unsicherheit bezüglich einer allfälligen Tunnellösung wohl weitergehende Massnahmen (z.B. Barrieren) prüfen müssen. Wir müssen deshalb die Doppelspur auch nach einem Ja zur Initiative weiter projektieren, nur so können wir die für die AB sehr wichtige Planungsverbindlichkeit erlangen. Der Baubeginn der Doppelspur ist dann eine Frage, die wir in ein bis zwei Jahren besser beurteilen können. Klar ist für uns hingegen, dass wir 2018 den Bahnhof umbauen müssen. Sie haben die Sicherungsanlagen bei der Einspurführung durchs Dorf angesprochen. Aufgrund des Bahngesetzes hätten diese bis 2014 angepasst werden müssen. Gibt es somit ein Sicherheitsproblem und wie lange ist die Übergangsfrist, die Sie vom Bund erhalten haben? Die Frist ist in der Tat Ende 2014 abgelaufen. Als für die Sicherheit verantwortliche Bahn müssen wir nun aber zwingend handeln. Der heutige Zustand ist nicht mehr tolerierbar. Wir von der Bahn können die Verantwortung für das heutige Regime nicht mehr übernehmen. Daher sind Massnahmen zwingend, gegebenenfalls auch Übergangslösungen. Der Kreisel mit Lichtsignal ist eine sehr gute und langfristig taugliche Lösung, unabhängig ob dereinst die Doppelspur oder die Tunnelvariante realisiert wird. Das Komitee will, dass man bei einem positiven Entscheid für die Initiative rasch vorwärts macht und bereits im Herbst 2018 den Objektkredit vors Volk bringt. Wie realistisch ist das? 

«Der Kreisel mit Lichtsignalanlage ist eine sehr gute und langfristig taugliche Lösung, unabhängig, ob dereinst die Doppelspur oder die Tunnelvariante realisiert wird.» Thomas Baumgartner

  Ein Ja zur Initiative wäre ein Grundsatzentscheid der Teufner Stimmbürgerinnen und Stimmbürger für eine Tunnellösung, aber noch lange keine verbindliche Grundlage, dass die AB zeitnah mit dem Bau eines Tunnels beginnen könnten. Hierzu müsste zuerst – wiederum durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Teufen – ein Projektierungskredit bejaht werden, dann müsste die Gemeinde ein Tunnelprojekt ausarbeiten lassen und in der Folge den Objektkredit zur Abstimmung unterbreiten. Dies bis Herbst 2018 zu schaffen, ist aus meiner Sicht nicht realistisch. Daraufhin müsste die AB als Bauherrin ein Auflageprojekt, als Grundlage für eine Baubewilligung durch den Bund, ausarbeiten. Parallel dazu muss die Finanzierung verbindlich gesichert werden, unter Einbezug des Bundes. Diese Prozesse dauern erfahrungsgemäss viele Jahre. Hinzu kommt: Die Anforderungen an einen Tunnelbau mitten in einem Dorf sind sehr hoch; der abgesenkte Bahnhof und die Situation im Gebiet Schützengarten und bis Elektro Nef sind sehr anspruchsvoll. Die Kurztunnel-Variante ist sehr komplex, vermutlich sogar komplexer als die Neubaustrecke in der Ruckhalde. Und da ging eine fast zehnjährige Planungs- und Bewilligungsphase voraus. Wenn der Entscheid der Stimmbürger am 21. Mai deutlich für die Tunnelinitiative ausfällt, müsste man dann nicht grundsätzlich nochmals über die Bücher und auch die Langtunnelvariante nochmals in Betracht ziehen, die ja quasi pfannenfertig vorliegt? Da könnten Sie sich einiges ersparen. Die Teufnerinnen und Teufner haben im Januar 2015 den Kredit für einen Langtunnel sehr deutlich abgelehnt. Seither projektieren wir die Doppelspur, weil wir davon ausgehen, dass die Mehrheit der Bevölkerung keinen Tunnel will. Zudem liegt für den Langtunnel bei Weitem noch kein – wie Sie sagen – pfannenfertiges Projekt vor, das in dieser Form genehmigungsfähig wäre. «Die Kurztunnel-Variante ist sehr komplex, vermutlich sogar komplexer als die Neubaustrecke in der Ruckhalde. Und da ging eine fast zehnjährige Planungs- und Bewilligungsphase voraus.» Thomas Baumgartner Man könnte den Entscheid vom 18. Januar 2015 auch so interpretieren, dass man die Langtunnelvariante primär unter dem Damoklesschwert der Finanzen (Steuererhöhung, Kostenüberschreitungsrisiko etc.) abgelehnt hat, also primär aus finanziellen Überlegungen. Dass es also nicht primär gegen den Tunnel ging. Jetzt hat sich die finanzielle Situation gedreht, man könnte sich den Kurztunnel leisten und der Langtunnel ist nicht mehr viel teurer. Ob Teufen sich den Kurztunnel leisten kann, müssen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger entscheiden. Der Kurztunnel hat ein sehr schlechtes Kosten/Nutzenverhältnis. Der Langtunnel schneidet diesbezüglich sehr viel besser ab, das ist unbestritten. Eine alternative Streckenführung via Tunnel muss jedoch von allen Beteiligten (Bund, Kanton, Gemeinde und Bahn) gewünscht und als sinnvoll betrachtet werden, ansonsten ist sie nicht finanzier- und demzufolge auch nicht realisierbar. In der Tat weist der Langtunnel, anders als der Kurztunnel, Vorteile auch für die Bahn aus. Aber bei der bevorstehenden Abstimmung geht es nur um den Kurztunnel. Und bei diesem Vergleich schneidet die Doppelspur aus Sicht der Gemeinde, des Kantons und der Bahn deutlich besser ab. Was sind denn die Gründe der Bahn für eine Doppelspur? Mit einer zweigleisigen Streckenführung kann in einem guten Kosten/Nutzenverhältnis die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden massiv und zeitnah verbessert werden. Die Doppelspur hat für die Bahn zudem den grossen Vorteil, dass wir den Fahrplan in Zukunft wesentlich flexibler gestalten können. Das ist für die Kundinnen und Kunden – immerhin 1.6 Mio. Fahrgäste pro Jahr – sehr entscheidend. Im Weiteren kann der Bahnhof Teufen ansprechend und mit finanziell vertretbarem Aufwand rasch modernisiert und sicherer gemacht werden. Die Eingriffe ins Ortsbild sind wesentlich geringer als mit zwei Tunnelportalen und tiefliegendem Bahnhof. Und eine zweigleisige Streckenführung lässt alle Optionen für spätere Entwicklungen offen. Ein Kurztunnel hingegen beginnt am Bahnhof und endet beim Schützengarten – und das für die Lebensdauer des Tunnels von 90–100 Jahren. An der Orientierungsversammlung des Initiativkomitees vom 6. April und in den bisherigen Leserbriefen meldeten sich fast ausschliesslich Befürworter des Kurztunnels zu Wort. Wie empfinden Sie, wie die Diskussion jetzt in Teufen läuft? Ich finde die Diskussionen gut. Es ist wichtig, dass sich die Teufnerinnen und Teufner mit so einer wichtigen Verkehrsfrage für ihr Dorf intensiv auseinandersetzen. Mir ist aber wichtig, dass dies mit der nötigen Weitsicht, mit einer ganzheitlichen Betrachtung und mit Argumenten, die mit tatsächlichen Fakten unterlegt sind, gemacht wird. Wie geht es jetzt weiter bis zur Abstimmung vom 21. Mai? An der Informationsveranstaltung vom 3. Mai hat die Bevölkerung die Möglichkeit, sich die Argumente des Gemeinderates, des Kantons und der Bahn zur Doppelspur und zum Kurztunnel anzuhören und Fragen zu stellen. Die Bevölkerung kennt dann die Argumente beider Seiten und kann sich danach für die Abstimmung vom 21. Mai eine Meinung bilden. Nach dem Abstimmungssonntag wird sich die Situation dann hoffentlich für alle Beteiligten ein wenig klarer präsentieren.

Haltestellen auf der Hauptstrasse?

Die Information im Votum von Christian Ehrbar an der Orientierungsversammlung vom 6. April, dass zwei Haltestellen der künftigen Strassenbahn, nämlich im Bereich Stofel und beim Sternen, auf die Strasse verlegt und dadurch der Verkehr massiv behindert würde, hat viele Besucherinnen und Besucher aufhorchen lassen. Auch Gemeindepräsident Reto Altherr hatte noch nie von diesen Plänen gehört. Dazu Thomas Baumgartner, Direktor der Appenzeller Bahnen: «Wir sind zurzeit im Variantenstudium, z.B. zur Frage, wo hört die Doppelspur auf, und prüfen im Moment mehrere Varianten. Die Varianten umfassen Haltestellen auf der Kantonsstrasse, aber auch Haltestellen auf der Seite, sowie sie heute sind. In diesem Variantenverfahren führen wir auch Gespräche mit den betroffenen rund zehn Grundeigentümern. Es ist noch kein Entscheid getroffen worden. Die Geschäftsleitung der Appenzeller Bahnen wird vermutlich im Mai/Juni die Varianten erstmals beurteilen und dann zusammen mit Gemeinde und Kanton einen Grundsatzentscheid über die künftige Stossrichtung fällen und danach offen kommunizieren.»  

Top-Artikel

Top-Artikel

Anzeige

Altpapier-Animation2024-April

Anzeige

Altpapier-Animation2024-April

Nächste Veranstaltungen

Sonntag, 28.04.2024

Kirchgemeindeversammlung

Montag, 29.04.2024

Gemeinsames Singen

Aktuelles

×
× Event Bild

×
×

Durchsuchen Sie unsere 7190 Artikel

Wetterprognose Gemeinde Teufen

HEUTE

28.04.24 21:0028.04.24 22:0028.04.24 23:0029.04.24 00:0029.04.24 01:00
8.9°C8.5°C8.2°C8.1°C7.8°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon

MORGEN

29.04.24 05:0029.04.24 09:0029.04.24 12:0029.04.24 15:0029.04.24 20:00
7°C12.1°C15.8°C17.9°C13.4°C
WettericonWettericonWettericonWettericonWettericon