15.10.2021

Ohne Durchfahrt?

Die Durchmesserlinie ist ein fixer Bestandteil des AB-Netzes. Ginge es auch ohne?

Die IG Tüüfner Engpass kritisiert in ihrer neusten Medienmitteilung die Korridorstudie des BAV. Ihre Haltung: Die Untersuchung ist tendenziös und nicht ergebnisoffen genug. Insbesondere der Fokus auf die Durchmesserlinie (DML) als Randbedingung stört sie – sie würde die Achse St. Gallen bis Appenzell lieber unabhängig beurteilen. Wäre das überhaupt möglich? Die Frage geht an die Appenzeller Bahnen (AB).

Die Antwort von Mediensprecherin Erika Egger ist eindeutig: Das Aufheben der Durchmesserlinie ist aus Sicht der Appenzeller Bahnen keine Option. «Aufgrund der vielen betrieblichen Herausforderungen, der resultierenden Angebotsverschlechterung und der politischen Situation macht es für uns wenig Sinn, so einen Schritt zu prüfen.» Aber welche Herausforderungen wären das genau? Sie lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen:

Politik und Angebot

Die Umsetzung der Durchmesserlinie – sprich die direkte Fahrt mit der AB von Trogen bis Appenzell und umgekehrt – geht auf Abstimmungen in den beteiligten Kantonen im Jahr 2009 zurück. Dabei handelte es sich um einen richtungsweisenden Entscheid des Stimmvolks, der die mittel- und längerfristige Planung der AB seither bestimmt und legitimiert. «Die DML jetzt aufzuheben, wäre daher politisch nicht einfach. Wir könnten das bestehende Angebot dann nämlich nicht mehr aufrechterhalten. Das gilt für das 30-Minuten-Ziel für St. Gallen bis Appenzell, aber auch für die Stadt-Durchfahrt und den Viertelstundentakt nach Teufen», so Erika Egger. Ausserdem: Passagierumfragen haben ergeben, dass rund 25 Prozent der Fahrgäste über die Stadt St. Gallen hinausfahren, sprich das DML-Angebot regelmässig nutzen.

Fehlende Infrastruktur

Der Bahnhof St. Gallen ist heute nicht nur die wichtigste Haltestelle des AB-Netztes (Umstieg auf die nationalen Linien), er ist auch eine zentrale Kreuzungsstelle. Dank der DML müssen die Züge hier nicht wenden; sie halten, warten auf den entgegenkommenden Zug und fahren wieder los. Das bedeutet aber auch, dass die Haltezeit so kurz wie möglich sein sollte. Daran stört sich die IG Tüüfner Engpass. Aber: «Mit der heutigen Infrastruktur wäre eine andere Variante gar nicht denkbar. Um in St. Gallen wenden zu können, bräuchten wir mehrere Weichenstellen mitten auf dem Bahnhofsplatz und weitere Anpassungen», so Erika Egger. Ausserdem: Auf der Linie St. Gallen – Appenzell würde dann wieder eine Kreuzungsstelle fehlen. Sie müsste ungefähr auf Höhe Riethüsli gebaut werden, um den Fahrplan stabil halten zu können. Aufgrund des neuen Tunnel ist das allerdings keine Option.

Rollmaterial und Viertelstundentakt

«Nehmen wir mal an, wir würden die DML trotz aller aufgelisteten Probleme trotzdem aufheben: Dann hätten wir doch noch zu wenig Züge», sagt Erika Egger. Das Problem: Wenn die Achsen Trogen bis St. Gallen und Appenzell bis St. Gallen wieder unabhängig voneinander bedient werden, bräuchte die AB dafür mindestens einen Zug mehr. Das bedeutet auch mehr Personal, mehr Abstellplatz, mehr Unterhaltskosten. Und im Vergleich zum System DML wäre der Fahrplan laut AB dann deutlich weniger belastbar. Das bedeutet: Der angepeilte, durchgehende Viertelstundentakt wäre kaum umsetzbar.

Fazit der Appenzeller Bahnen: «Wegen der aufgeführten Argumente macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, die Randbedingung Durchmesserlinie für die Korridorstudie aufzuheben.»

1 Kommentar

  1. Andreas Baumann

    24.10.2021 / 14:18 Uhr

    Im Jahre 2010 befürwortete der Teufner Gemeinderat das Projekt Durchmesserlinie nur unter der Bedingung, dass ein Tunnel in Teufen integraler Bestandteil des Projektes werde (siehe auch Tabblatt-Artikel: https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/appenzellerland/teufen-sagt-ja-zur-dml-will-aber-bahntunnel-im-zentrum-ld.165794). Der Gemeinderat von damals sah nämlich auch Nachteile bei der Einführung der Durchmesserlinie wie zum Beispiel «einen intensiveren Eisenbahnverkehr und damit hergehend eine erhöhte Behinderung des innerörtlichen Individualverkehrs, welcher in Zukunft ebenfalls zunehmen wird» sowie «eine fortschreitende Zweiteilung des Dorfes und somit die weitgehende Verunmöglichung einer Gestaltung des Dorfzentrums mit einem lebendigen Dorfplatz». Wie wir alle wissen, war schon kurz danach die Doppelspur das Grundprojekt der Appenzeller Bahnen. Dies zeigt zumindest, dass politische Versprechen nicht in Stein gemeisselt sind.

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