8.09.2016

Eine Zeitreise 250 Jahre zurück – Abstecher ins Landsgemeindedorf

Der Museums-Gönnerverein auf den Spuren Grubenmanns.

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Die imposante gedeckte Holzbrücke über die Urnäsch ist eine der letzten erhaltenen Brücken von Johannes Ulrich Grubenmann.

Bildbericht: Erich Gmünder

Am Schluss gab’s Wurst und Brot und einen Blick in die „Blaue Stube“ in der Krone. Am Anfang stand eine Wanderung zur „sprechenden Brücke“ unten an der Urnäsch. 42 Freunde des Grubenmann-Museums genossen eine Zeitreise im Landsgemeindedorf Hundwil.

„Gutes Schuhwerk erforderlich“ stand auf der Einladung zur Besichtigung.

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Der holperige Abstieg zur Urnäsch.

Und in der Tat, die Hundwilertobelbrücke ist von Hundwil aus nur zu Fuss zu erreichen. Der Weg wurde bis 1997 mindestens alle zwei Jahre jeweils an einem Sonntag rege genutzt: Der „Landsgemeindeweg“ über die Brücke ist die kürzeste Verbindung zwischen der Nachbargemeinde Herisau und dem Landsgemeindeort Hundwil, und Leute wie der spätere Bundesrat Hansruedi Merz nahmen ihn unter die Füsse, bis die rund 600 Jahre alte Institution just, als er überraschend die Wahl in den Ständerat schaffte, beerdigt wurde.

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Wegen den zahlreichen Inschriften wird sie auch die „sprechende Brücke“ genannt.

Die „sprechende Brücke“

Die 1778 erbaute, rund 32 Meter lange „Hüslibrogg“ ist eine der beiden letzten noch erhalten gebliebenen Brücken, die eindeutig Hans Ulrich Grubenmann zuzuordnen ist. Die andere steht wenige Kilometer entfernt im Kubel und wurde zwei Jahre später nach den gleichen Prinzipien erstellt, wenn auch mit beträchtlichen Abweichungen. „Das passiert, wenn dä Chef nöd ume isch. Dann hat er an einem Ort den einen und am anderen Ort einen anderen Polier, und jeder macht, was er will“, wie Paul Grunder launig bemerkte. Der Teufner Holzbaufachmann kennt die Materie wie kaum ein zweiter, begleitete er doch 2014 die aufwendige Restaurierung der Hundwilertobelbrücke und zurzeit plant er jene ihres Zwillings, der ebenfalls gedeckten Kubelbrücke vor den Toren der Stadt.

Zahlreiche Inschriften auf den Querbalken erzählen von der Entstehungsgeschichte. Darauf sind sowohl die Namen des Baumeister Hs. Ulrich Grubenmann wie des regierenden Hundwiler Hauptmanns und anderer Verantwortlicher verewigt wie auch Sprüche aus der Bibel – weshalb sie auch die sprechende Brücke genannt wird.

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Die Hundwiler Gemeindepräsidentin Margrit Müller erinnerte an Zeiten, als die Brücke noch bestens bekannt war.

Nach der Abschaffung der Landsgemeinde geriet sie leider etwas in Vergessenheit, wie die Hundwiler Gemeindepräsidentin Margrit Müller bedauerte. Kein Zufall also, dass der umsichtige Organisator Köbi Brunnschweiler einen Voraustrupp organisiert hatte, der den fast schon zugewachsenen Weg gerodet und auch für leichteres Schuhwerk begehbar gemacht hatte.

Aus den Inschriften ist auch zu erfahren, dass bereits 1722 eine Brücke die Sitter querte, welche jedoch einem Unwetter zum Opfer fiel. Die neue Brücke wurde entsprechend höher und 23 Fuss länger (entspricht rund 7 Meter) gebaut und damit war die Gefahr des Wegschwemmens gebannt. In echt Grubenmann’scher Manier handelt es sich bei der Konstruktion um ein Hänge-Sprengwerk in Form eines sogenannten Stabpolygons, ohne Zwischenpfeiler, gefertigt aus Fichte (Rottanne).

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Paul Grunder vor dem 3D-Plan der Kubelbrücke. Die originalen Brückenmodelle, nach denen die Bauleute die Brücken erstellten, sind nicht erhalten geblieben.

Prunk im Landsgemeindedorf

Gut möglich, dass Johann Ulrich Grubenmann und seine Bauleute jeweils wie die Landsgemeindemannen am Feierabend im 1599 erbauten Wirtshaus zur Krone einkehrten und sich an der „Blauen Stube“ ergötzten.

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Die Gaststube wurde 1776  im Auftrag von Gemeindehauptmann Daniel Engler und seiner Frau Anna Catharina Zuberbühler im Rokoko-Stil ausgemalt. Der grüne Kachelofen stammt auch aus dieser Zeit. 1815 kamen drei historisierende Wandgemälde hinzu: für einen Empfang Napoleons, wie der Volksmund wissen will. Auftraggeber dieser Gemälde, die an der Klappwand zwischen Gaststube und bemalter Altertumsstube angebracht sind, waren Johannes und Anna Knöpfel-Frischknecht, deren Initialen mitsamt Jahreszahl über dem Türsturz angebracht sind und die ältere Jahreszahl 1776 überdecken. Die drei herausragenden Gemälde stellen grossformatige Szenen aus dem Gründungsmythos der Eidgenossenschaft dar, mit dem Rütli-Schwur, Tells Apfelschuss und Tells Sprung auf die Tellsplatte.

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Kantonsbibliothekarin Heidi Eisenhut erklärte die Stile der Malereien aus verschiedenen Zeiten, welche teilweise übereinander gelagert sind.

Für Kantonsbibliothekarin Heidi Eisenhut haben diese Malereien und die Inschriften mit hoher Wahrscheinlichkeit einen politischen Hintergrund; der Wirt Johannes Knöpfel habe damit wohl ein Bekenntnis zur Eidgenossenschaft ablegen wollen.

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Der Besuch in der Krone mit dem Erststockbeizli und der „Blauen Stube“, auch „Altertumsstube oder „Napoleonszimmer“ genannt, mutet an wie eine Zeitreise.
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Im Wirtshaus zur Krone mit seiner klassizistischen Fassade aus dem Jahre 1828 scheint die Zeit still gestanden zu sein

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Vor dem Eingang zum Erststockbeizli gibt es wie zu alter Zeit einen kleinen Allerwelts-Laden.

 

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Die Künstlerin Vera Marke hat im Rahmen der Künstleraktion „A discrétion“ dem Eingangsbereich einen quasi-barocken Anstrich mit marmorisierenden Elementen verpasst.

Beim Apéro und bei Wurst und Brot wurde der Gönneranlass abgeschlossen. Nächster Termin ist der Weihnachtsapéro am 7. Dezember.

Weitere Bilder von der Zeitreise (Blättern)

Die Inschriften in der „sprechenden Brücke“

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