Einen unverkrampften Umgang mit Demenz lernen

01.11.2015 | Erich Gmünder
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Cristina de Biasio ist Pflegeexpertin und Vorstandsmitglied der Alzheimervereinigung SG/AR/AI.

Aktuell leben in der Schweiz etwa 116‘000 Menschen mit einer Demenzerkrankung. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahre 2030 bereits 200‘000 Menschen betroffen sein werden. Der Gemeindetag vom 7. November 2015 im Zeughaus Teufen geht der Frage nach, wie Betroffene und Angehörige begleitet werden können.

Interview: Erich Gmünder

Cristina De Biasio, warum engagieren Sie sich für Demenzkranke?

Am Anfang stand ein Schlüsselerlebnis. Mit meinen beruflichen Qualifikationen war ich überzeugt, eine gute Pflegefachfrau zu sein. Als ich 1996 im Rahmen eines Praktikums in einem Pflegeheim erstmals mit Menschen mit Demenz in Berührung kam, geriet ich an meine persönlichen Grenzen. Mit Bewunderung beobachtete ich, wie es einer erfahrenen Kollegin scheinbar spielend gelang, einen älteren Herrn mit Demenz für ein Bad zu begeistern und ihm dabei sogar ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, nachdem der gleiche Patient auf meine Bemühungen nicht oder sogar mit Abwehr reagiert hatte. Ich wollte herausfinden, was diese Kollegin anders machte – auf was es eben ankommt im Umgang mit Menschen mit Demenz.

Wie erkenne ich erste Anzeichen bei mir oder meinen Angehörigen?

Wenn Sie im Einkaufszentrum stehen und plötzlich nicht mehr wissen, was Sie einkaufen wollten, ist das ganz normale Vergesslichkeit, wie sie bei allen mal vorkommt. Wenn Sie dabei aber plötzlich die Orientierung verlieren und nicht mehr ein und aus wissen, könnte das ein Hinweis auf eine beginnende Demenz sein. Andere Zeichen können auch sein, wenn ich bekannte Personen nicht wieder erkenne oder Aufgaben nicht mehr bewältigen kann.

Wie gehe ich dann vor?

Eine Demenzerkrankung ist ein komplexes Krankheitsbild. Erste Anlaufstelle ist deshalb der Hausarzt, der einen persönlich kennt. Er kann erste Tests durchführen und achtet darauf, allfällige andere Krankheiten wie Depressionen oder Stoffwechselerkrankungen auszuschliessen. Bei Bedarf überweist er die Person dann an eine Memory Clinic, wo eine interdisziplinäre und spezialisierte Abklärung und auch Beratung erfolgt.

„Wenn es den Angehörigen gut geht und sie Support erhalten, dann geht es auch den Betroffenen besser.“

Kann man dank Früherkennung auf den Krankheitsverlauf Einfluss nehmen respektive diesen stoppen?

Nein.

Warum macht denn Früherkennung trotzdem Sinn?

Es ist tatsächlich so, dass sich die Krankheit nicht heilen lässt. Eine medikamentöse Behandlung kann allenfalls stabilisierend wirken oder den Verlauf verlangsamen. Trotzdem hilft eine Früherkennung gleich in mehrfacher Hinsicht. Vielleicht haben erste Symptome eine Paarbeziehung belastet. Nun bekommt die Veränderung einen Namen. Man kann sich frühzeitig Hilfe holen, das Umfeld kann sich darauf einstellen, oder bei Problemen am Arbeitsplatz kann man dafür sorgen, dass der Patient unter der dauernden Überforderung nicht leidet.

Was kann der oder die Einzelne unternehmen, um Betroffene und Angehörige zu stützen?

Wer sich mit der Krankheit auseinander setzt, geht häufig unvoreingenommener auf Betroffene zu und kann helfen, dass diese weiterhin in der Gesellschaft integriert sind, sei es am Arbeitsplatz, im Jassklub oder in der Begegnung beim Einkaufen. Angehörige fühlen sich unterstützt, wenn Betroffene sich weiterhin auf ein soziales Netz abstützen können und nicht isoliert werden. Vereinfacht gesagt: Wenn es den Angehörigen gut geht und sie Support erhalten, dann geht es auch den Betroffenen besser.

Was ist das Ziel des Gemeindetages?

Die Gemeinde kann diese Bemühungen unterstützen, indem sie mithilft, die Gesellschaft für die Problematik zu sensibilisieren. Es ist eine Realität, dass immer mehr Familien ganz direkt betroffen sind und sich oft mit der Problematik allein gelassen fühlen. Hier wollen wir ansetzen. Zwar können wir, wenn sie sich bei der Alzheimervereinigung melden, Betroffenen fachliche Unterstützung anbieten, aber oft stossen sie im Umfeld auf Unverständnis und Unwissen. Hier wollen wir ansetzen, damit die Gesellschaft einen ganz normalen Umgang mit dem Thema findet.

«Den Alltag bewältigen»

Der Gemeindetag vom 7. November 2015 im Zeughaus Teufen geht der Frage nach, wie Betroffene und Angehörige begleitet werden können. Nach einem einführenden Filmausschnitt erzählen Angehörige von Betroffenen aus ihrem persönlichen Alltag. Nach vertiefenden Referaten wird in einem abschliessenden Podium unter der Moderation von Hanspeter Spörri auf die konkreten Fragen und Wünsche aus dem Publikum eingegangen. Das Grusswort hält Gesundheitsdirektor Matthias Weishaupt. Der Apéro wird von der Schulklasse 6a vom Landhaus serviert.

Zeughaus Teufen, 7. November, 9 bis 12.30 Uhr

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Cristina De Biasio

ist selbständige Pflegeexpertin und arbeitete zuletzt über acht Jahre in den Teufner Heimen. Hier war sie u.a. für die Einführung des Qualitätsmanagements verantwortlich. Seit 4 Jahren engagiert sie sich im Vorstand der Alzheimervereinigung SG/AR/AI. Nach Aus- und Weiterbildungen als Pflegefachfrau arbeitete sie mehrere Jahre als Berufsschullehrerin in der Pflegeausbildung, bevor sie die Weiterbildung zur Pflegexpertin absolvierte und in den Pflegeheimbereich wechselte. Sie arbeitete mit in der Arbeitsgruppe des Forums Palliative Care, welche den 3. Teufner Gemeindetag vorbereitet hat. EG

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