Endlich an die Urne

15.11.2023 | Timo Züst
Xoan
Xoán Elías Castiñeira Varela wurde in der spanischen Region Galicien geboren. Seit 11 Jahren lebt und arbeitet er in der Schweiz – seit 6 Jahren wohnt er mit seiner Partnerin und ihren gemeinsamen zwei Töchtern in Niederteufen. Foto: tiz

Der 26. November wird ein historischer Abstimmungssonntag. Das gilt für Ausserrhoden und Teufen. Der Kanton entscheidet darüber, wie er in Zukunft strukturiert sein soll (Fusions-Abstimmung). Und Teufen bringt den Voranschlag 2024 an die Urne. Das allein ist noch kein Eintrag in die Geschichtsbücher wert. Aber: An diesem Sonntag dürfen in Teufen erstmals auch Ausländer und Ausländerinnen abstimmen. Einer davon ist Xoán Elías Castiñeira Varela.

Zehn Gesuche

Seit dem Beginn der neuen Legislatur am 1. Juni 2023 ist die neue Teufner Gemeindeordnung in Kraft. Die Teufner Stimmbevölkerung hatte ihr am 25. September 2022 zugestimmt – auch zur Zusatzfrage des Ausländerstimmrechts sagte sie «Ja». Damit dürfen hier wohnhafte Ausländer nun bei der Gemeinde ein Gesuch auf ein kommunales Stimmrecht stellen. Bedingung für dessen Erteilung ist, dass die Gesuchstellerin mindestens 10 Jahre im Land und 5 Jahre im Kanton gelebt hat. Laut Gemeindeschreiber Marcel Aeple wurde dieses Stimmrecht inzwischen von zehn Personen beantragt.

Man würde meinen, das Wetter in Spanien ist etwas freundlicher als hier. Aber auch in Galicien regnet es diese Woche mehr oder weniger ununterbrochen. Ein Blick aufs Europa-Wetter von SRF offenbart die Grösse des dominierenden Tiefdruckgebiets «Jasper»: Es reicht von Wien bis in den Nordwesten Spaniens. Immerhin: Dort wäre es mit bis zu 18 Grad deutlich wärmer als hier. Xoán Elías Castiñeira Varela macht die Kälte hier allerdings wenig aus. Er erinnert sich noch gut an seine Ankunft in der Schweiz. Das war an Silvester 2012. «Meinen ersten Tag verbrachte ich gleich im Engadin an einem herrlichen Wintertag. Damals dachte ich: Hier will ich nie wieder weg.» Teufen ist zwar nicht das Engadin, trotzdem fühlt er sich hier wohl. Und vor allem: zuhause.

Aber erstmal zurück zu Galicien. Hier kam Xoán Elías Castiñeira Varela 1983 auf die Welt. Seine Eltern – er Jurist, sie Gymnasiallehrerin – legten grossen Wert auf eine gute und breite Bildung. Dazu gehörte auch die Musik. So entdeckte Xoán früh das Klavier. Und blieb dabei. Er studierte Musik und Musikwissenschaften in Barcelona, Berlin, London und den USA. «Mein Leben war schon früh sehr international. Dabei habe ich viel gelernt.» Beispielsweise, als er im Jahr 2005 in Berlin ankam. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. «Berlin war natürlich schon damals multikulti. Aber längst nicht alle sprachen Englisch. Während der ersten Monate war es, als lebte ich in einer ‘Bubble’.» Sieben Jahre später – nach einem Aufenthalt in den USA – kehrte er nach Berlin zurück. Damals wusste er bereits: Musik ist zwar seine Leidenschaft, beruflich strebt er aber nach mehr.

Also machte er sich auf die Suche und stiess auf ein Angebot in der Schweiz. So kam es zu jenem verheissungsvollen Silvester in Sils und schliesslich zum Umzug in die Schweiz. Kurz darauf fing Xoán Castiñeira bei der J.S. Bach-Stiftung (Konrad Hummler) an. Und vom Sommer 2015 bis Dezember 2022 war er deren Geschäftsleiter. Seine Ausbildung ergänzte er während dieser Zeit mit einem MBA an der HSG. Heute leitet er ein Grossprojekt der Stiftung, hat die Co-Leitung der Musikschule Appenzeller Mittelland (MSAM) hier in Teufen inne, unterrichtet dort auch Klavier und kümmert sich mit Partnerin Stephanie Katharina um ihre zwei Töchter Selma (4,5 Jahre) und Laia (1,5 Jahre). Seit sechs Jahren wohnt er nun schon in Niederteufen. Und seit 11 Jahren in der Schweiz. Das bedeutet: Er darf seit dem 1. Juni 2023 auf Gemeindeebene abstimmen …

… Ich glaube, erfahren habe ich das damals sogar aus der «Tüüfner Poscht». Da stand, man müsse ein Gesuch einreichen. Also habe ich das auch gleich gemacht.

Und das hat geklappt?

Problemlos. Man war auf der Verwaltung sehr nett zu mir und hat mich gut beraten. Natürlich musste in einige Nachweise erbringen. Zu den Wohnorten der letzten Jahren und so weiter. Aber danach bekam ich sehr schnell das Okay.

Nun steht also Ihre erste Abstimmung an.

Genau! Zwar «nur» auf Gemeindeebene. Aber ich bin total glücklich. Es ermutigt mich zudem sehr, mich noch mehr mit den lokalen Geschehnissen auseinanderzusetzen.

Für Ausserrhoden ist der 26. November ein wichtiger Abstimmungstag. Es geht ja auch noch um mögliche Gemeindefusionen. Hätten Sie dazu auch gerne Ihre Stimme abgegeben?

Natürlich.

Und Ihre Meinung?

Ich muss zugeben: Bei dieser Frage müsste ich mich erst noch etwas einlesen. Wenn man sich jahrelang nicht an Abstimmungen beteiligen konnte, ist man nicht überall auf dem neusten Stand. Grundsätzlich bin ich ein Verfechter des Föderalismus. Das Effizienzsteigerungspotenzial – und andere Chancen – von Fusionen will ich aber nicht negieren. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was dabei rauskommt.

Gut möglich, dass Sie in Zukunft auch auf kantonaler Ebene abstimmen können. Die Verfassung wird ja revidiert.

Das werde ich hoffentlich so oder so können – auch auf Bundesebene. Ich bin daran, den Einbürgerungsprozess in die Wege zu leiten.

Dann viel Erfolg. Aber nochmal zurück zum 26. November. Auf Gemeindeebene geht es in diesem Fall ums Budget 2024.

Genau. Ich habe die Unterlagen mit Interesse studiert. Und muss sagen: Ich finde es anspruchsvoll. Ich frage mich, wie viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ohne Finanzhintergrund das wirklich verstehen.

Müsste es besser erklärt werden?

Nein. Die Erklärungen sind wirklich gut. Aber es bleibt halt ein komplexes und abstraktes Thema. Das gilt ja nicht nur für Abstimmungen auf dieser Ebene.

Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen?

Was so eine direkte Demokratie für ein Riesenaufwand ist. Was man hier für Mengen an Papier und Informationen nach Hause geschickt bekommt, ist wirklich verblüffend. Da fliessen grosse Mengen an Zeit, Energie und Geld hinein.

Es ist erfrischend mit jemandem zu reden, der sich so aufs Abstimmen freut. Die Stimmbeteiligung ist in der Schweiz ja tendenziell eher rückläufig. Können Sie das nachvollziehen?

Nein. Aus meiner Sicht ist es gleichzeitig eine Bürgerpflicht und ein Privileg, abstimmen zu können. Dass jemand, der dieses Recht ohne «Zusatzaufwand» hat, es nicht wahrnimmt, ist für mich kaum verständlich. Vor allem jetzt, wo ich sehe, was für ein Aufwand dafür betrieben wird. Man sollte das Engagement von Verwaltung und Politik doch wenigstens mit seiner Stimme würdigen.  tiz

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