6.04.2022

Fokus auf die Menschlichkeit

Die Spitex Rotbach hat immer mehr zu tun – und eine Zukunftsvision.

Im Gespräch mit Spitex-Geschäftsführer Roman John und Präsident Andy Winkler (rechts).

Der Aufwärtstrend der Pflegeleistungen setzt sich fort: Im Jahr 2021 leistete die Spitex rund 20 Prozent mehr Pflegeleistungen als 2020. Die Herausforderungen bleiben dabei die gleichen: finanzieller Druck, Personalsuche und wachsende Ansprüche. Trotzdem zieht die Spitex ein sehr positives Fazit. Denn vieles spricht für sie: Umfragewerte bzw. Kundenzufriedenheit, langjähriges Personal und eine klare Zukunftsstrategie.

Es ist Montagnachmittag. Am Tisch im Empfangsraum der Spitex Rotbachtal sitzen Geschäftsführer Roman John und Vereinspräsident Andy Winkler. Das Gespräch wird von der Klingel unterbrochen. An der Tür steht eines der 928 Vereinsmitglieder. Sie lässt Roman John wissen: «Die Versammlung war wirklich sehr schön.» Präsident Andy Winkler schliesst sich diesem Feedback gerne an: «Es war richtig aufbauend zu spüren wie zufrieden die Mitglieder mit der Spitex Rotbachtal sind.»

Nicht nur innerhalb des Vereins ist die Stimmung gut: Eine externe Kundenumfrage hat der Spitex Rotbachtal ein makelloses Zeugnis ausgestellt. Sie liegt im Vergleich zu 75 anderen Spitex-Organisationen in allen Punkten über dem Benchmark. «Ausserdem haben wir uns seit der letzten Umfrage 2018 stark verbessert», sagt Roman John. Die Zahlen sind es schliesslich, die das positive Bild abrunden: Im vergangenen Jahr absolvierte die Spitex 25’900 Kundenbesuche (2020: 24’046), fuhr 73’109 Kilometer (2020: 60’720), lieferte 10’633 Mahlzeiten (2020: 9582) aus und leistete insgesamt 33’204 Arbeitsstunden (2020: 31’517). Alles in allem eine Zunahme der Pflegeleistungen von fast 20 Prozent. Und das während Corona bzw. in Zeiten von Unsicherheit, Personalausfällen und zurückhaltender Kundschaft. Eine eindrückliche Leistung. Einige Fragen hatte die TP aber doch noch:

Wenn Sie einen Wunsch für die Spitex frei hätten: Welcher wäre das?

Roman John: Dass die Empathie stärker gewichtet und in den Vordergrund gestellt wird und wir von der ewigen Finanz-Diskussion und der Komplexität der Abrechnungen wegkommen. Auf der einen Seite wird von uns super Qualität und individuelle Kundenpflege gefordert. Gleichzeitig soll es so günstig wie möglich sein. Das beisst sich einfach und setzt unsere Mitarbeitenden massiv unter Druck. Aber, und das ist mir wichtig: Sie machen es wirklich sehr gut – das sagen auch unsere Kunden.

Andy Winkler: Das wäre auch mein Wunsch. Nicht nur für unsere Mitarbeitenden, sondern auch für unsere Kunden. Je geringer der finanzielle Druck, desto mehr Zeit bleibt für die Betreuung und ein zwei nette Worte. Gerade während Corona wurde offensichtlich wie wichtig nebst der medizinischen und pflegerischen Seite auch die menschliche Nähe ist. Die Kunden haben das extrem geschätzt.

Ich hatte vermutet, Sie sagen vielleicht: mehr Personal.

John: Über den Mangel an Pflegepersonal muss ich Ihnen ja nichts erzählen – das ist mittlerweile Allgemeinwissen. Auch ich bin immer wieder angespannt, wenn ich jemanden suchen muss. Aber grundsätzlich sind wir zufrieden: Wir haben sehr wenig Fluktuation und ein super Team. Und wir haben bisher immer grossartiges Personal gefunden. Ausserdem habe ich absichtlich den finanziellen Druck und nicht das Personal angesprochen: Denn es ist der Fokus auf die Finanzen, der den Personalmangel auslöst. Wer will schon jede einzelne Arbeitsminute erfassen müssen? Diese Über-Kontrolle ist schädlich.

Wie war die Situation während Corona?

John: Teilweise sehr schwierig. Aber wir haben es immer irgendwie geschafft. Dank eines motivierten und sehr flexiblen Teams. Aber klar: Corona hat auch für uns durch Ausfälle Mehraufwände bzw. Kosten verursacht.

Schrieb man deshalb ein Minus?

John: Das liegt einerseits an der schwierigen Situation in den letzten zwei Jahren und andererseits aber auch an der Kostenaufteilung. Gemäss KVG (Krankenversicherungsgesetz) mit den gesetzlich festgelegten Tarifen für die Pflegeleistungen werden die Vollkosten bei weitem nicht abgedeckt. Wohlgemerkt, wir können weder Wegzeit noch Bürozeit für Pflegeplanung sowie Abklärungen mit direkten Kundenkontakt etc. in Rechnung stellen. Deshalb sind wir auf die Gemeindebeiträge – im Kanton AR sind die Gemeinden für die Spitex zuständig – angewiesen. Aber in so aussergewöhnlichen Jahren wie 2020 und 2021 bleibt sogar beim durch den Regierungsrat festgelegten Höchsttarif ein Fehlbetrag.

Der betrug fast 73’000 Franken. Ein kleiner Betrag im Vergleich zum Gesamtaufwand von 1,81 Mio. Franken. Bezahlt wurde es aus dem Vereinsvermögen. Frage: Hätten das die Gemeinden nicht übernehmen können?

Winkler: Wir sind auf die Gemeindebeiträge angewiesen – und sehr dankbar dafür.  Der Vorstand hat sich deshalb entschlossen, die Gemeinden mit der Übernahme dieses Betrages nicht auch noch zu belasten.

John: Rückblickend lagen wir in den letzten Jahren immer um einiges unter den festgelegten Höchsttarifen.

Noch ein Blick in die Zukunft. Die Spitex Rotbachtal hat eine Strategie 2025 gefasst. Ein Teil davon ist ein integriertes Versorgungsmodell. Was bedeutet das?

John: Die Idee ist, dass die drei beteiligten Gemeinden bzw. die hier ansässigen Organisationen im Bereich der Altersbetreuung noch enger zusammenarbeiten. So können Synergien genutzt und Angebote geschaffen werden, die sich für eine Gemeinde allein nicht lohnen würden. Zum Beispiel eine Tagesstätte zur Entlastung der Angehörigen.

Schlussendlich wird das wohl Aufgabe der Politik sein. Was für eine Rolle kann da die Spitex einnehmen?

Winkler: In unserem Vorstand sitzen Gemeinderäte aus allen drei Gemeinden. Das ist ein grosser Vorteil. Einerseits gewinnen sie so einen guten Einblick in das «Geschäft», andererseits stehen wir mit ihnen in direktem Kontakt. So können wir auch die Vorteile eines integrierten Versorgungsmodells bzw. noch engerer Zusammenarbeit vermitteln. In diesem Sinne sehen wir uns als Anstösser der Diskussion.

John: Das mittel- bzw. längerfristige Ziel ist es, im Rotbachtal eine Art Leuchtturm-Situation im Bereich der Alterspflege aufzubauen. Das hilft der ganzen Region. Es steigert die Attraktivität als Wohnort, verbessert die Pflege-Situation und hilft uns dabei, weiterhin so gutes Personal zu finden.

Letzte Frage: Das Jahr 2022 ist schon drei Monate alt. Setzt sich der «Wachstumstrend» bei den Pflegeleistungen fort?

John: Ja. Wir werden heuer voraussichtlich ähnlich viele Stunden mehr leisten als im Vergleich von 2021 und 2020.  tiz

Die Mitgliederversammlung

  • Von links nach rechts: 15 Jahre, Jacqueline Manser, Pflegefachfrau HF, zukünftige Wundmanagerin 5 Jahre, Monika Sutter, Pflegefachfrau HF, Ausbildungsverantwortliche, Anny Bleiker, Administration und Finanzen, 25 Jahre, Roman John, Geschäftsführer. Fotos: Alexandra Grüter-Axthammer

Vergangenen Samstag fand die ordentliche Mitgliederversammlung der Spitex im Zeughaus statt – endlich wieder im gewohnten Rahmen. Rund 100 Personen, davon 73 stimmberechtigte Mitglieder, sowie der Vorstand und vielen anwesenden Mitarbeitenden freuten sich an der gut organisierten und interessanten Versammlung, am feinen Kuchenbuffet und an der Unterhaltung vom A-Capelle Quartett amuseBouche unter der Leitung von Vorstandsmitglied Hanspeter Michel. Alle traktandierten Geschäfte wurden von den stimmberechtigten Mitgliedern ohne Gegenstimmen angenommen.

1 Kommentar

  1. Willy Ringeisen

    06.04.2022 / 11:15 Uhr

    Grosses Kompliment an denn Vorstand und an die Mitarbeitenden der Spitex für die wertvolle Arbeit. Die Mitglieder-Versammlung war ausgezeichnet organisiert und wir danken auch für den interessanten und stimmungsvollen Nachmittag samt Kaffee und Kuchen.
    Ursi und Willy Ringeisen

    Antworten

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