25.09.2020

Handfeste Kunst

Ein Gespräch mit Gret Zellweger – kurz vor der Vernissage ihrer Ausstellung im Zeughaus.

Die Teufner Künstlerin Gret Zellweger in ihrer Werkstatt. Am Sonntag eröffnet ihre Ausstellung im Zeughaus. Foto: tiz

Diesen Sonntag wird die erste Ausstellung von Gret Zellweger im Zeughaus eröffnet. Die 75 Bilder (Monotypien bzw. Unikate) stehen für ihre 75 Lebensjahre. Die Ausstellung bleibt dann auch passend bis zu ihrem nächsten Geburtstag am 12. April offen. Ein paar Tage vor der Vernissage hat die TP mit der Teufner Künstlerin in ihrer Werkstatt ein Glas Most getrunken und über Kunst, Teufen und die Zukunft gesprochen.

Liebe Gret, was ist eigentlich Kunst?

Hui, das ist eine Frage. Was die Leute heute alles als Kunst bezeichnen …

Was ist mit dir?

Eigentlich ist fast alles Kunst. Es kommt etwas darauf an, wer es macht.

Deine künstlerische Karriere begann als Möbelmalerin. Was war damals Kunst für dich?

Damals war das wohl alles, was ich gerne gemacht hätte aber nicht durfte.

Das war?

Mehr oder weniger das, was ich jetzt mache (lacht). Aber mein Vater verlangte von mir, dass ich erst eine richtige Ausbildung abschliesse, bevor ich Künstlerin werde. Das war damals halt so. Wer ohne «richtigen Job» Kunst machen wollte, braucht vermögende Eltern oder einen grosszügigen Onkel.

War das der falsche Weg?

Im Nachhinein muss ich sagen: Nein, war es nicht. Die landwirtschaftliche Ausbildung und die Verwaltungslehre bei der Post gaben mir später viel Sicherheit. Ich wusste immer, dass ich darauf ausweichen könnte, wenn es mal nicht gut läuft. Es war eine wichtige Grundlage.

Was für eine Grundlage lieferte die Möbelmalerei?

Dabei geht es in erster Linie um die richtige Technik und sauberes Handwerk. Das Ziel ist nicht Kreativität. Wenn man an einem Biedermeier- oder schönen Renaissance-Möbel arbeitet, wird erwartet, dass man es im gleichen Stil wieder herrichtet. In diesem Sinne lernt man insbesondere sorgfältiges und sauberes Arbeiten. Die reinen Ideen kamen später.

Die Ausstellung im Zeughaus feiert dein 75. Lebensjahr. Kunst machst du noch nicht ganz so lange. Trotzdem: Sind dir nie die Ideen ausgegangen?

Ausgegangen (lacht)? Um Himmelswillen, nein. Ideen habe ich immer mehr als genug. Daran hat es nie gemangelt. Manchmal braucht ein Gedanke etwas Zeit zum Reifen oder die Zeit fehlt. Aber Inspiration gibt es überall. Schau dir nur mal diesen Stapel von Kunstbüchern an. Sie allein sind eine sehr wertvolle Quelle.

Hast du ein künstlerisches Vorbild?

Nicht unbedingt. Je nach dem, was ich mache, ist es jemand anderes. Bei einem Holzschnitt ist das nicht der gleiche Künstler wie bei der Malerei.

Und welche Richtung gefällt dir besonders?

Die Expressionisten schaue ich mir immer gerne an.

Warum?

Warum? Du stellst Fragen (lacht). Einerseits gefällt mir sicher die Spontanität, die diese Werke transportieren. Und ihre Farbigkeit. Aber gleichzeitig finde ich auch den Lebensstil der damaligen Zeit faszinierend. Ich meine, so etwas wie die «Blauen Reiter» gibt es heute nicht mehr.

Deine Hauptthemen sind die Heimat und das Brauchtum. «Verleidet» das nicht irgendwann?

Überhaupt nicht. Schau dich um: Diese Themen lassen sich auf so viele verschiedene Arten umsetzen. Klassische Bauernmalerei-Bilder, die zeitweise sehr hoch im Kurs sind, habe ich nie gemacht. Mich reizt es, diese «alten» Themen immer wieder auf eine Art zu interpretieren, wie es noch niemand gemacht hat. Das gilt auch für die Monotypien, die im Zeughaus ausgestellt werden.

Dein Schaffensraum ist Teufen. Bist du hier zufrieden?

Für mich stimmt es. Insbesondere seit ich im Jahr 1985 in dieses Haus mit der Werkstatt umziehen konnte. Hier habe ich den nötigen Platz und die Lage ist perfekt. Ausserdem fühle ich mich in Teufen daheim. Ich kenne sehr viele Leute und habe ein gutes Netzwerk. Das müsste man sich woanders ja erst wieder aufbauen.

Wie steht es denn um die Ausserrhoder Kunstszene?

Es läuft auf jeden Fall viel. Ob es allen Kunstschaffenden gut geht, weiss ich nicht. Aber ich habe das Gefühl, man kann hier viel erreichen, wenn man sich bemüht.

Die Kunst wird also genug gefördert?

Ich kann mich auf jeden Fall nicht beklagen. In der Kunst-Branche gibt es wie überall ein Auf und Ab. Und natürlich hat man es nicht einfach, wenn man noch jung ist und keinen grossen Bekanntheitsgrad hat. Mein Vorteil waren damals die persönlichen Beziehungen aus Gewerbe, Politik und der Kunstszene. Das wäre auch meine Empfehlung an junge Kunstschaffende: am Netzwerk arbeiten.

Und wie steht es um die Kultur in Teufen selbst?

Eigentlich sehr gut. Auch wenn es nicht in allen Bereichen genau gleich aussieht. Aber das Engagement ist vielfältig und gross. Man denke beispielsweise an das Baradies, die Lesegesellschaft, das Zeughaus, den Jodelclub, den TV, den FC und, und, und.

Anders gesagt: Das Angebot reicht aus?

Wer sich etwas bemüht, kommt hier schon zu seiner Kultur, seinem menschlichen Austausch oder seinem Sport, ja. Und ansonsten sind Appenzell oder St. Gallen nicht weit. Für Kunst und Kultur muss man nicht gleich nach London oder New York (lacht).

Du warst am 12. September auch im Zeughaus, um über Teufens Zukunft zu sinnieren. Was würdest du bis 2025 umsetzen?

Ich würde am liebsten die leidige Zug-Diskussion beenden. Ansonsten hätte ich kein dringendes Projekt. Mit der neuen Sek werden wir beim Schulraum wieder gut aufgestellt sein, die Sportanlagen und die Infrastruktur sind sowieso gut und Treffpunkte gibt es genug. Auch das Grün ist in alle Richtungen maximal zehn Minuten entfernt.

Am Sonntag feierst du Vernissage im Zeughaus. Endlich?

(lacht). Das habe ich in den vergangenen Wochen jetzt wirklich schon ein paar Mal gehört: «Gret, warum warst du eigentlich noch nie im Zeughaus?» Ich habe es aber nie so empfunden. Einerseits haben wir das Zeughaus noch gar nicht so lange. Und andererseits hatte ich immer genügend andere Ausstellungen.

Mittlerweile ist alles aufgebaut. Bist du zufrieden?

Ich denke, es passt so ganz gut, ja. Und zum Glück habe ich mich auch mit Ueli Vogt (Kurator) von Anfang an sehr gut verstanden.

Du zeigst Monotypien. Was sind das?

Die Monotypie ist ein Druckverfahren, das eigentlich kein Druckverfahren ist. Von einem «Druck» kann man nur sprechen, wenn etwas vervielfältigt bzw. kopiert wird. Bei dieser Technik wird zwar von einer Vorlage auf Papier gedruckt, jedes Bild ist aber ein Unikat. Ich habe schon früher Monotypien gemacht und finde sie faszinierend. Alles ist wichtig: das richtige Papier, die passenden Farben, die Technik. Und trotzdem ist es immer spannend zu sehen, was am Schluss dabei rauskommt.

Noch etwas ganz anders. Wenn du ein Werk von dir überall auf der Welt aufhängen könntest: Wo wäre das?

Hm, das habe ich mich noch nie gefragt. Natürlich bin ich ein Alpstein-Fan. Aber dort hängt ja schon fast überall etwas von mir.

Im Jahr 2018 durftest du als «Artist in Residence» in Zakopane im Süden von Polen arbeiten. Wohin würdest du sonst mal gerne?

Mich würde die sehr aktive Szene in einer Grossstadt reizen. Aber da wären vier Monate wohl etwas viel. Ich denke, zwei würden reichen (lacht).

Und zum Abschluss noch etwas Corona. Wie hast du das Jahr bisher erlebt?

Ach, für mich war das Ganze gar nicht so tragisch. Wegen einer Knie-Operation konnte ich sowieso nicht wirklich in den Alpstein. Und das Wetter war ja mehrheitlich schön, da war ich einfach etwas mehr zuhause. Ich musste aber beim Arbeiten häufiger auf meine CDs zurückgreifen, wenn sie im Radio wieder nur über Corona geredet haben. Ah, Moment!

Hm?

Schau, diese Ansichtskarte mit dem Spruch von Friedrich Dürrenmatt finde ich bei diesem Thema so passend: «Die Welt ist ein Pulverfass, in der das Rauchen nicht verboten ist.»

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