"Im Herzen bin ich schon längst ein Teufner"

17.06.2014 | Erich Gmünder
stephen braddock (12)
stephen braddock (12)
Stephen Braddock in seinem Wohnzimmer mit asiatischer Kunst. Foto: EG

Erich Gmünder

«Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes». Was aus dem Mund eines Pfarrers wie eine Floskel tönen mag, ist bei ihm Realität: Seit 2002 kam Stephen Braddock regelmässig zur Behandlung in der Paracelsus Klinik in die Lustmühle. Das rettete ihm das Leben. Damit begann für ihn eine neue Zeitrechnung: Das zweite Leben des Stephen Braddock.

Dem stets freundlichen Mann begegnet man in Teufen auf Schritt und Tritt: Er ist ein aktives Mitglied im Männerchor Tobel, im Heimatchörli und bis vor kurzem im kath. Kirchenchor, er engagiert sich im Pfarreirat und verschiedenen anderen sozialen und karitativen Vereinen, und er ist sich nie zu schade, selber Hand anzulegen, sei’s im Service oder beim Aufräumen an einem x-beliebigen Vereinsanlass.

Warum geht er nicht Golf spielen oder betreibt ein anderes imageträchtigeres Hobby? Nach dem Verkauf eines Unternehmens, das er zusammen mit seinem Partner in Lausanne geführt hatte, könnte er sich das spielend leisten. «Teufen hat mir so viel gegeben, wofür ich dankbar bin», lautet die Antwort auf die Frage. Die Ärzte gaben ihm vor zwölf Jahren nur noch eine kurze Frist, als sie bei ihm eine akute Quecksilbervergiftung als Ursache für seine Beschwerden diagnostizierten.

«Teufen hat mir so
viel gegeben, wofür
ich dankbar bin.»

Acht Jahre lang dauerte die intensive Entgiftung in der Paracelsus Klinik – jedes Jahr drei Monate lang, in denen er jeweils in Elisabeth Bosshards Alpenheim lebte und so seine Beziehung zu Teufen aufbaute. Einige Jahre später zog er definitiv ins Appenzellerland, nach Stein. Und seit einem halben Jahr wohnt er nun in Teufen in einer grosszügigen Eigentumswohnung mit Blick aufs Dorf.

Dass er, obwohl in einer (registrierten) Partnerschaft mit einem Mann lebend, hier so offen und vorurteilslos aufgenommen wurde, ist für ihn ein Zeichen, dass er hier tatsächlich seine Heimat gefunden hat. Auch dass für den Pfarreirat seine gleichgeschlechtliche Orientierung kein Thema war, ist in der katholischen Kirche keine Selbstverständlichkeit.

Dabei liebäugelte er als Jugendlicher mit dem Gedanken, selber einmal Priester zu werden. Doch dann wurde er in Seattle, wo er mit sechs Geschwistern aufwuchs und sich stark in der Kirche engagierte, Opfer eines Übergriffs durch einen katholischen Priester. Trotz des Schocks kehrte er der Kirche aber nicht den Rücken.

Seine Familie zog nach Los Angeles und Stephen lernte bald darauf seinen künftigen Lebenspartner André kennen. Ihm folgte er nach Lausanne, absolvierte hier seine Studien und arbeitete bald in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens seines Partners mit. Nach dem Verkauf der Firma pendelten die beiden zwölf Jahre lang zwischen Lausanne und Bangkok, bis sie sich schliesslich in der Ostschweiz niederliessen.

«Im Herzen bin ich schon
längst ein Teufner geworden.»

Nun pendeln sie regelmässig zwischen Teufen und Paris, weil André nicht auf das Stadtleben verzichten möchte. «Die grossen Städte sind zwar interessant», sagt Stephen, der Wahlteufner, in der appenzellischen Landschaft und Bergwelt fühle er sich aber mehr zu Hause, darum habe er beschlossen, sich hier niederzulassen: «Im Herzen bin ich schon längst ein Teufner geworden.»

Die appenzellische Musikalität hat es ihm besonders angetan, für ihn ist sie auch Ausdruck der Spiritualität. So nimmt er Gesangsstunden und hat sich jüngst für einen Kurs im Zauren eingeschrieben. Hier finden sich Welten: Stephen Braddock befasste und befasst sich mit östlicher Transzendenz, wovon die Buddhafiguren und Kunstwerke in der Wohnung zeugen, und meditiert regelmässig am Morgen früh: «Die Stille ist die Verbindung zu Gott.» Das ist kein Gegensatz: «In jedem Jodellied wird Gott angerufen und ihm für diese wunderschöne Heimat gedankt.»

Stephen Braddock

Geboren: 11. Mai 1956 in Seattle, Washington, USA

Heimatort: Seattle. «Aber meine Heimat ist Teufen»

Aufgewachsen: Seattle und Los Angeles

In Teufen seit: Dezember 2013

Familie: seit 1977 mit André Mustaki, seit 2008 in eingetragener Partnerschaft lebend

Erlernter Beruf: Finanzfachmann MBA, IMD Lausanne H

eute tätig als: Frühpensionär

Lieblingsessen: Leberli mit Rösti

Lieblingsgetränk: Appenzeller Alpenbitter

Musikvorlieben: fast alles, momentan: Zäuerli

Buch auf dem Nachttisch: für die tägliche Meditation neben der Bibel philosophische und spirituelle Literatur

Hobbys: Musik, Singen, Lesen, Bergwandern

Lebensmotto: «Thy will be done» (Dein Wille geschehe)

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