Mit Käse im Gepäck

07.11.2020 | Timo Züst
Säumerweg (34)
Martin Josef Manser mit dem ersten Säumerzug von 2020 unterwegs hoch zur Schäflisegg. Foto: Archiv

Der alte Säumerweg führt von Appenzell nach St. Gallen – durch das Teufner Dorfzentrum. Als kultur-historisches Projekt hat ihn der Innerrhoder Martin Josef Manser wiederbelebt. Heute führt er einen «Säumerzug» mit 14 Teilnehmenden und den drei Mulis Luna, Orino und Nala an. Es ist die erste Durchführung und ein Testlauf.

Er mag Vielschichtiges, Mehrdeutiges. Er spricht beim Kaffee im «Böhli» von Tradition, Geschichte, Verbindungen. Und immer wieder von der Natur. Die Natur begleitet Martin Josef Manser. Privat und beruflich. Aufgewachsen ist er im Leimensteig bei Schlatt. Über Umwege – unter anderem kurz bei der Post in Teufen – kam er zur Sozialpädagogik. Mittlerweile arbeitet er seit 30 Jahren er als Naturtherapeut. «Gerade habe ich eine Woche mit einem Sonderschüler verbracht. Wir waren draussen unterwegs. Ganz einfach: Wandern, Feuer machen, Essen, Schlafen.» Sein Ansatz: Die Natur arbeiten lassen. «Eigentlich bin ich in diesen Situationen nur der Begleiter. Die eigentliche Wirkung entfaltet die Umgebung.» Auch privat sucht Martin Manser die Nähe zur Natur. Während des Lockdowns im Frühjahr war er oft zu Fuss unterwegs. In einer Art Sternwanderung von seinem Wohnsitz in der Stadt St. Gallen aus. «Erst wanderte ich der alten Konstanzerstrasse nach bis nach Kreuzlingen. Später nach Rorschach. Dann nach Lichtensteig und schliesslich auch über meine alte Heimat nach Appenzell.» Die letzte Tagesetappe absolvierte er auf dem alten Säumerweg. Für mehrere hundert Jahre war dies der Weg, den die Innerrhoder Bauern nahmen, um ihre Abgaben an die Pfarrei «Abbazella» (Gründung im Jahr 1069) des Klosters St. Gallen zu entrichten. «Unterwegs auf der alten Natursteinstrasse bei Schlatt dachte ich mir: Wie viele tausend Füsse, Karrenräder und Mulihufe hier wohl damals durchgezogen sind?»

Corona-konform

Der starke Anstieg bei den Corona-Infektionen in den vergangenen Wochen hat auch die Durchführung des «Säumerzugs» gefährdet. Mit 14 Teilnehmenden ist der Anlass aber konform mit den vom Bundesrat festgelegten Massnahmen zur Verlangsamung der Epidemie. Ausserdem bittet der Organisator Schaulustige darum, den nötigen Abstand einzuhalten und sich an die Schutz- und Hygienevorschriften zu halten.

Im Hinblick auf das Jubiläum

Das Abwandern alter Säumerwege hat sich an einigen Orten zur Touristenattraktion gemausert. Zum Beispiel im Wallis oder in Graubünden. Das ist nicht das Ziel von Martin Manser: «Ich will keinen solchen Magneten schaffen oder ein kommerzielles Projekt aufbauen. Mir geht es um das Erlebnis und darum, den alten Brauch neu zu leben.» Die heutige Wanderung ist aber noch mehr: ein Probelauf. Denn dieser Weg könnte Teil des 175-Jahr-Jubiläums des Bistums St. Gallen im Jahr 2022 sein. Definitiv ist das zwar noch nicht, aber Abklärungen laufen. «So oder so möchte ich den Anlass, wenn möglich, im kommenden Jahr wiederholen.» Für die erste Durchführung wird er von 14 Teilnehmenden und drei Mulis begleitet. Die Wegbegleiter waren schnell gefunden. Bei den Mulis war die Sache nicht so einfach. «Vor 30 Jahren waren im Alpstein zum letzten Mal Mulis für einen ‘echten Auftrag’ unterwegs. Und zwar von Wasserauen hoch zum Rotsteinpass.» Seither werden die entlegenen Alpen und Berggasthäuser mit Helikoptern versorgt. Diese Wachablösung im Gebirge ist auch im Tal spürbar. «Wenn es keine Mulis mehr braucht, werden auch keine mehr gezüchtet und erzogen. Ich habe in Innerrhoden keine gefunden.» Die Schwerarbeit übernehmen deshalb Luna und Orino aus Oberhelfenschwil (das dritte Muli heisst Nala). Die beiden haben «Showbiz»-Erfahrung und sind deshalb zutraulich und gut erzogen. «Für uns genau richtig.»

Käseattrappen und Quöllfrisch

«Wenn man wie ich so viele solcher Anlässe organisiert lernt man irgendwann, dass man nicht immer alles aus dem eigenen Sack bezahlen kann.» Deshalb hat Martin Manser für den heutigen «Säumerzug» aktiv nach Unterstützern gesucht. Dabei ging es allerdings weniger um Geld, sondern um Wegzehrung. Sein Anliegen stiess auf viel Wohlwollen. Muli und Mensch sind reich bepackt mit Bier von der Brauerei Locher, etwas Alpenbitter und Getränke der Goba, Brot vom «Böhli» und «Drei König» und Appenzeller Käse. Bei den grossen Käselaiben auf den Rücken der Mulis handelt es sich allerdings um Plastikattrappen. «Alles hätten wir unmöglich essen können, wäre schade darum gewesen.» So oder so sollte in St. Gallen noch einiges an Proviant übrig sein. «Die Resten werden dann unter den Teilnehmenden aufgeteilt. Als Belohnung für die erbrachte Leistung sozusagen.» tiz

Martin Josef Manser ist der Organisator des Säumerzugs von Appenzell nach St. Gallen. Foto: tiz

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