«Schön, sind Sie trotzdem hier»

18.09.2023 | TPoscht online
Bettagsgottesdienst 2023_2
Diakon Stefan Staub (links) im Gespräch mit Imam Muris Begovic. Fotos: Erich Gmünder

Natalie Peter

Pfarreileiter und Diakon Stefan Staub gab in seiner Begrüssung im gestrigen Bettagsgottesdienst eine Erklärung zur Missbrauchskrise in der katholischen Kirche ab. Im anschliessenden Gespräch an der Kanzel stellte sich der erste islamische Armeeseelsorger, Muris Begovic, den Fragen von Stefan Staub zum Islam in der Schweiz und was dieser unserer Gesellschaft geben kann.

«Wir können nicht so tun, als wäre alles normal»


Das Thema beschäftigt die Menschen schon lange. Der Bericht zur Studie der Universität Zürich fasste nun den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in klare Worte. Lange Zeit sei das Ausmass verschwiegen oder gar verleugnet, das Klima dadurch vergiftet und die Glaubwürdigkeit der kirchlichen Arbeit geraubt worden. Stefan Staub fand in seiner Begrüssung deutliche Worte zur aktuellen Situation.

Das Ausmass der Missbräuche, deren Opfer meist Kinder und Jugendliche waren, erschütterte Staub zutiefst und mache ihn zornig. Als Priester, Diakone und Seelsorgende seien die Angestellten der Pfarrei ein Teil des Systems und tragen somit Mitverantwortung. Möchte die Kirche glaubwürdig sein, könne sie nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren. Die Konsequenzen seien bereits sichtbar und zeigen sich an den rund ein Dutzend eingegangenen Kirchenaustritten.

Laut Staub wird es die Kirchenleitung vermutlich nicht schaffen, glaubwürdige Strukturveränderungen vorzunehmen. Deshalb hinge es von allen anderen ab, die sich noch in irgendeiner Form der Kirche zugehörig fühlen: «Wer in der Kirche bleibt, laden wir dazu ein, zu zeigen, dass wir hier in den Pfarreien anders sind.» Wer noch Kraft habe, solle mithelfen: «Nicht schweigen, nicht hinnehmen.»

Den Seelsorgenden der Seelsorgeeinheit Gäbris sei es wichtig, gerade jetzt auf Gott zu vertrauen und ihn zu feiern – nicht die kirchlichen Strukturen. Man werde sich das Heilige seiner Gegenwart und seine Menschenliebe nicht nehmen lassen durch übergriffige Seelsorgende, mutlose Würdenträger oder durch diejenigen, die ihre Macht für den Systemerhalt anstelle des Wohlergehens der Menschen eingesetzt haben.

In diesem Sinne feierten rund 150 Gottesdienstbesuchende einen besinnlichen Bettagsgottedienst. Die Geschwister Neff sorgten an Schwyzerörgeli, Handorgel und Klavier für heitere Musik und Alessandro Fiore am Piano für stimmungsvolle Klänge.

Der Mensch im Vordergrund

Das Gespräch an der Kanzel stand ganz im Zeichen des interreligiösen Dialoges. Muris Begovic ist Schweizer Bürger, Imam und der erste islamische Armeeseelsorger der Schweiz. «Erster muslimischer Armeeseelsorger ruft zum Gebet», so titelte der Blick im Juni 2023 und zeigte ein Bild, auf dem Rekruten der Schweizer Armee Richtung Mekka beteten. Auf die Frage, wie er mit diesem Medienrummel um seine Person umging erklärte Begovic, er sei sich bereits daran gewöhnt, sich oft rechtfertigen zu müssen und immer wieder für Dinge gerade zu stehen, die Menschen im Namen des Islams taten.

Stefan Staub, ebenfalls Armeeseelsorger, war an diesem Gebet anwesend, was dem Imam wichtig war. Er wollte das Gebet nur in Anwesenheit seiner christlichen Kollegen durchführen und habe nicht zum Gebet gerufen, sondern sei gerufen worden. Staub seinerseits empfand das Gebet als wertschätzend und würdevoll.

«Wir müssen endlich erwachsen werden und aufeinander zugehen»


Der Vorbehalt gegenüber dem Islam in der Schweiz sieht Begovic im Fremden und Unbekannten, das dem Islam hier zu Lande noch immer anhaftet. Man gehe zu wenig aufeinander zu und stecke noch immer in den Kinderschuhen, wenn es um den interreligiösen Dialog geht.

Begovic übernimmt durch seine Funktionen verschiedene Rollen. Dabei sei es im wichtig, ein Vorbild zu sein – besonders für Kinder und Jugendliche in der Identitätsfindung. Er möchte zeigen, dass es möglich ist, gleichzeitig Schweizer und Muslim zu sein und die islamischen Werte nicht gegen Schweizer Werte sprechen. 

Auf die Frage, was der Islam der Schweizer Gesellschaft geben kann, meint Begovic, es käme dabei immer darauf an, von welchem Islam man spreche. Es gebe viele verschiedene Arten, den Glauben zu leben. Ausschlaggebend sei, welches Bild man selbst vermitteln möchte. «Ich habe mich dazu entschieden, diesem Land zu dienen.» Als Armeeseelsorger möchte er der Schweiz etwas zurückgeben.

Das gemeinsame Ziel aller Religionen in der Schweiz sollte laut Begovic sein, den Menschen in den Vordergrund zu stellen: «Es geht um den Menschen.» Sein grösster Wunsch für die Zukunft sei, dass das Interreligiöse intensiver gelebt und die Hintergründe der unterschiedlichen Religionen besser verstanden werden. Gemeinsamkeiten sollten geschätzt und Unterschiede respektiert werden.

Der gesamter Bettagsgottesdienst mit dem Gespräch an der Kanzel kann hier nachgeschaut werden.

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