Teufner entwickelte einen der ersten Roboter

14.10.2017 | TPoscht online
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Sabors grosser Auftritt bei Hans-Joachim Kulenkampff in der Sendung „Einer wird gewinnen“. Fotos: Archiv Remo Huber

Matthias Jäger

Sabor, der Maschinenmensch, war ein Appenzeller, ein Teufner sogar. Seinen ersten grossen Auftritt hatte er an der Landesausstellung von 1939 in Zürich. Er wurde eine internationale Berühmtheit. Trotzdem hinterliess er hier, an seinem «Geburtsort», kaum Spuren. Selbst ältere Teufner erinnern sich nicht an ihn.

Weil Sabor das Vergessen nicht verdient, öffnete Remo Huber, der Sohn des Erfinders und Konstrukteurs, für die Tüüfner Poscht das Fotoalbum seines Vaters August Huber.

Sabor auf dem Marsch durch Innsbruck. Dafür wurde die Innenstadt abgesperrt.
… gesteuert aus der Ferne von August Huber.

Sabor war zu seiner Zeit ein internationaler Star. Er trat an der Weltausstellung in Brüssel auf, im Olympiastadion Berlin, an der Landesausstellung in Zürich, an der internationalen Warenmesse in Kopenhagen, an der MUBA in Basel, in der Albert Hall in London, an vielen weiteren Plätzen und auch bei Kulenkampff im Deutschen Fernsehen. Auf einer Österreich-Tournee sperrte Innsbruck für seinen Auftritt die Innenstadt.

Titelbild Der Stern.

Grosse Zeitschriften wie Der Spiegel in Deutschland oder Popular Science in den USA berichteten über ihn. Die Hamburger Illustrierte „Der Stern“ widmete ihm 1952 ebenso eine Titelgeschichte wie die Zürcher Illustrierte.

Der Erfinder und Konstrukteur August Huber in seiner Werkstatt.

August Huber, sein Erfinder und Konstrukteur, baute Sabor ursprünglich in Teufen. Zeitungen bezeichneten ihn deshalb gelegentlich als gebürtigen Appenzeller. 1939 fand er sogar Eingang in die Landeschronik der Appenzellischen Jahrbücher. Trotz seiner internationalen Ausstrahlung und seiner Bedeutung für die Fachwelt schaffte es Sabor nicht in die kollektive Erinnerung der Appenzeller Welten.

Sabor der Erste

Sabor I war in den 20er-Jahren das Produkt eines 12-jährigen Knaben. Er war noch aus Holz, aber sein Innenleben enthielt bereits den Kern dessen, was seine Nachfolger später berühmt machen sollte, einen Radiosender und -empfänger. Wie ein 12-jähriger Junge in den 1920er-Jahren auf die Idee kommen konnte, einen Roboter zu konstruieren; wie er sich ohne Googeln und dergleichen das notwendige Wissen aneignete, bleibt im Dunkeln.

Der 1930 fertiggestellte Sabor II konnte sich bereits setzen und wieder aufstehen, und er konnte trommeln. August Huber verkaufte ihn nach Deutschland, wo sich seine Spur im 2. Weltkrieg verlor.

Sabor IV mit seinem Erfinder und Erbauer August Huber.

Sabor III hatte kein langes Leben. Er war fehlerhaft, wurde demontiert, bevor er die Werkstatt wirklich verlassen konnte. Er machte 1938 seinem berühmten Nachkommen, Sabor dem Vierten, Platz. Das war derjenige mit den grossen internationalen Auftritten.

1951 verkaufte August Huber seinen Maschinenmenschen. Sein neuer Besitzer war Ingenieur und hatte schon vorher mit Huber zusammen Sabors Innenleben verbessert. Er entwickelte ihn zu Sabor V weiter und trat weiterhin mit ihm auf. Irgendwann geriet er in eine urheberrechtliche Auseinandersetzung mit seinem ursprünglichen Erfinder. Nach einem weiteren Besitzerwechsel erhielt Sabor das Aussehen eines Astronauten. In dieser Form fand er seinen Platz im Elektrizitätsmuseum Münchenstein, und ist dort als erster Roboter Europas zu sehen.

Sabors Innenleben, eine Art Telefonvermittlung.

Ferngesteuerter Maschinenmensch

Nach heutigem Verständnis war Sabor vielleicht kein Roboter. Er verrichtete keine Arbeitsabläufe selbstständig. Er war vielmehr ein ferngesteuerter Maschinenmensch. Seine Faszination lag darin, dass er mit einer Körpergrösse von über 2.30m riesig war, dass er aussah, wie Filmer und Comiczeichner sich Ausserirdische vorstellen, dass er gehen konnte, absitzen und wieder aufstehen, und weitere menschliche Bewegungen nachahmte.

Sabor gibt Feuer.

Beim Sprechen bewegte er die Lippen, er konnte die Augen verdrehen, er kommunizierte mit seinem Erfinder, gab ihm Feuer, rauchte selber, und mit Frauen flirtete er gelegentlich sogar. Sabor war in seiner Erscheinung keine Maschine, sondern hatte nicht nur menschliche, sondern sogar ausgesprochen ausdrucksstarke Züge.

Sabors Innenleben

Gleichzeitig war Sabor in seiner Zeit ein technisches Wunderwerk. Er konnte 24 unterschiedliche Bewegungen nachahmen. Sein Innenleben bestand aus unzähligen Relais, Kontakten, Kontrolllämpchen, Röhren, 2500m Kabel und grossen Akkus in den Beinen.

Das eigentlich Revolutionäre an der Konstruktion aber war die Fernsteuerung. Im Grunde seien, wie ein zeitgenössischer Zeitungsartikel das ausdrückte, seine Organe eine Telefonvermittlung. Im Gegensatz zu den damals gebräuchlichen Wellenlängen beim Rundfunk, arbeitete die Sabor-Apparatur im Ultrakurzwellenbereich. Die Impulse wurden über Mikrofon und eine Telefonwählscheibe übertragen. Diese Fernsteuerung funktionierte über grosse Distanzen.

„Sensationelle unwiderruflich einmalige Vorführung“, in Sulgen, 12. November 1950.

Einen der spektakulärsten Auftritte hatte Sabor in Innsbruck, wo er durch die abgesperrte Innenstadt marschierte. August Huber steuerte ihn im Auto sitzend aus einer Distanz von mehreren Kilometern. Remo Huber meint, im Prinzip habe sein Vater mit Sabor nicht einen Roboter, sondern die Fernsteuerung erfunden, also das, was heute jeder und jede von uns selbstverständlich täglich unzählige Male in die Hand nimmt.

Sabors Ausflug nach London

1938 reiste Sabor nach London und wurde im Coliseum und der Albert Hall ausgestellt. Zum Schrecken von August Huber und ohne sein Wissen verkaufte ihn der Aussteller auf der Grundlage einer umstrittenen Vertragsklausel. Nur mit Schwierigkeiten konnte er ihn zurückgewinnen, worauf ihn die Zollbehörde mit CHF 30’000 Ausfuhrzöllen belegen wollte. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde Sabor über Newhaven nach Frankreich geschmuggelt, wo ihn August Huber wieder entgegennehmen konnte.


Warum wurde ein Maschinenmensch gebaut?


«Niemand wundert sich heute darüber, nach Einwurf eines Geldstückes aus einem Automaten Esswaren oder Zigaretten entnehmen zu können. Die Telefonverbindungen werden heute automatisch gewählt. Drehen wir den Radio an, so hören wir Stimmen aus allen Ländern. Warum sollte nicht eine Maschine gebaut werden können, die äusserlich die Form eines Menschen aufweist und durch sinnreiche, mechanisch-elektrische Vorrichtungen imstande ist, Bewegungen auszuführen und zu sprechen?

Schon vor bald 10 Jahren befasste sich der erfinderische Konstrukteur des SABOR, Herr A. Huber von Teufen, mit diesem Problem, das erst nach jahrelangen Versuchen zu einem brauchbaren Resultat führte. Der Maschinenmensch SABOR sollte in erster Linie die Möglichkeiten zeigen, welche die heutige Elektrotechnik, Radiotechnik und Mechanik bieten, die Möglichkeit zur drahtlosen Fernsteuerung.»

Aus dem Prospekt zur Landesausstellung 1939 in Zürich

 

Sabors Verwandtschaft


Sabor war zwar der berühmteste der Gilde, aber er gewann im Lauf der Zeit eine ganze Verwandtschaft dazu. Das waren der Kilian, das Strick-Lineli, das Hula-Hoop-Gritli oder die Jonglier-Susanne.

Der Kilian war ein Maschinenmensch im Pagenlook. Er verteilte Prospekte und Eintrittskarten und lud sprechend und mit höflichen Gesten zur Vorstellung von Sabor oder anderen Anlässen ein und bedankte sich artig, wenn man einen Prospekt nahm.

Bei den weiteren Figuren drückt der Textilkaufmann durch; die hatten als attraktive und ungewöhnliche Schaufensterpuppen durchaus einen praktischen Nutzen. Das Strick-Lineli konnte auf einer Handstrickmaschine lismen, das Hula-Hoop Gritli hatte eine Wespentaille und liess einen Hula- Hoop-Reif endlos kreisen. Der dazu notwendige Hüftschwung ist ein komplexer Bewegungsablauf.

Die Jonglier-Susanne hielt in beiden Händen einen Stab und jonglierte darauf Teller. Sie konnte sich sogar vor den Zuschauern verbeugen, ohne dass die Teller runterfielen.

So hoch komplexe menschliche Bewegungsabläufe zu analysieren, mechanisch nachzubauen und elektrisch zu steuern – und das alles als Autodidakt und ohne Computer – beeindruckt den Nachgeborenen.

Remo Huber, der Sohn des Erfinders, mit dem Stern-Titelbild (1952) vor dem Anwesen auf dem Büel.

Das Ende der Dynastie Sabor

Nach dem Verkauf von Sabor baute August Huber selber keine weiteren Roboter mehr. So endete die Dynastie, und Sabor V wanderte, wie oben erwähnt, ins Museum. Aus der Fachwelt ist er trotzdem nie ganz verschwunden.

So hatte er noch 2007 einen Auftritt in der Ausstellung «Die Roboter kommen» in Berlin und Frankfurt, und er ziert zusammen mit seinem Erfinder August Huber den Umschlag des gleichnamigen Buches.

Das Bestrahlungs-Institut «Bühl»

Die Leidenschaft für die Verbindung zwischen dem menschlichen Bewegungsapparat und der Energie von Elektrizität und anderen unsichtbaren Wellen und Strahlen trug August Huber in sein nächstes Grossprojekt. Nach dem Tod des Vaters wandelte er das Anwesen auf dem Bühl in Niederteufen in ein Bestrahlungs-Institut um. Dort war er so pionierhaft wie bei den Robotern. Er arbeitete mit Röntgendiagnostik, Licht-Ozon-Bädern, haematogener Oxydationstherapie («Blutwäsche») und dem Prunkstück, der Hochfrequenz-Therapie mit der Original Zeileis Apparatur. Aber das wäre eine eigene Geschichte.

Elektro – Der Artverwandte aus Amerika

Sabor war auch ein Kind seiner Zeit. Als er 1938 in Teufen zur Welt kam, fertigte die Firma Westinghouse in Mansfield, Ohio, «Elektro» für die Weltausstellung von 1939 in New York. Elektro war wie Sabor ein ferngesteuerter humanoider Roboter von ähnlicher Statur, der auf Kommando ähnliche Bewegungen ausführen konnte.


August Huber


August Huber wurde 1911 geboren. Sein Vater besass eine Weberei in Gossau und erwarb die Villa Roth auf dem Bühl in Niederteufen. Dort baute der junge August Huber seine Roboter. Eigentlich war er Textilkaufmann im Betrieb seines Vaters, aber von Jugend auf ein Pröbler und Tüftler. Mit seiner eigenen Familie wohnte August Huber vorerst in Gossau, bevor er 1954 wieder zurück nach Teufen zog. Die grossen Auftritte mit Sabor begannen mit der Landesausstellung 1939 in Zürich und dauerten bis Mitte der 50er-Jahre. Während dieser Zeit eignete er sich auch Kenntnisse über die Heilwirkung von elektrischer Energie und anderen Wellen und Strahlen an. Nach dem Tod seines Vaters verkaufte er 1955 die Weberei. Er wandelte die Villa Roth in das Bestrahlungs-Institut «Bühl» um. August Huber verstarb 1970 im Alter von 59 Jahren.

«Sabor, der Maschinenmensch»


Auf dem «Bühl» in Niederteufen, dem einstigen Privatsitz von Frau Minister Dr. Roth, ist nach neunjähriger Arbeit ein Maschinenwerk zustande gekommen, das dem Problem der Schaffung künstlicher Menschen um ein gutes Stück näher gekommen ist. Ein noch junger Mann, Herr August Huber, von Beruf eigentlich Kaufmann, aber von Jugend auf ein Pröbler, speziell auf mechanischem und elektrischem Gebiet, hat Sabor geschaffen.»

Quelle: Appenzellische Jahrbücher, Band 66, 1939

Auch das St. Galler Kulturmagazin SAITEN widmet Sabor in der Oktoberausgabe 2017 eine Geschichte

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